: Glück ist ein warmes Gewehr
Kerzenwachs ziehen und Beatles-Songs interpretieren und verfilmen: Eine große Gala für Klaus Beyer, den fünften Beatle, in der Akademie der Künste (Ost) ■ Von Detlef Kuhlbrodt
Der „fünfte Beatle“ (Spiegel) ist 45 und wohnt am Kottbusser Tor in einer schon etwas älteren Neubauwohnung. Die Popmusik veränderte sein Leben, nachdem er vor dreißig Jahren einmal mehrere Songs der Fab Four in der Radiosendung „Schlager der Woche“ gehört hatte. Seitdem ist er ihr größter Fan.
Weil seine Mutter kein Englisch versteht, begann Klaus Beyer in seiner Freizeit damit, die Songs der berühmten Popband mit Hilfe eines Englisch-Deutsch-Wörterbuches zu übersetzen. Die Songs hießen dann „Erdbeerfeld für immer“, „Glück ist ein warmes Gewehr“ und „Gibt nicht zu kaufen“, was naiv, unseriös und ein bißchen „schräg“ klingen mag, es aber nicht unbedingt ist. Vor einem halben Jahr zum Beispiel hatte der angesehene aus San Francisco stammende Künstler Jonathan Hammner in der Galerie „Neu“ unter anderem eine Hugo-Ball-Übersetzung präsentiert, die er ebenfalls allein mit Hilfe eines Wörterbuchs vorgenommen hatte. Was als äußerst hip galt.
Wie Paul McCartney kann Beyer keine Noten lesen. Das macht aber nichts. Denn über den Tasten seiner elektronischen Heimorgel stehen Zahlen, die die Orientierung in der Welt der Töne erleichtern. Beyer überträgt und singt (mit einer bastelfreudigen Prä-Karaoke-Technik) die Beatles-Songs nicht nur ins Deutsche, sondern verfilmt sie auch auf Super 8 in seiner Wohnung. Seine Filmversion der „Yellow Submarine“-Schallplatte zum Beatles-Animationsfilm ist ein kleines Meisterwerk.
Außerdem verfilmt der sympathische Lo-fi-Star selbstausgedachte Lieder („Kreuzberger Frauen sind lang“) und Sketche und tritt vor allem gern und oft selbst auf. In Berlin, Hamburg, Kassel, Dessau, Görlitz, Wien; in Wohnzimmern, bei Kongressen in Sachen Dilettantismus, in In-Lokalen wie dem Hamburger Pudel- Club oder dem Kumpelnest 3000.
Zwar ist der Kreis seiner Bewunderer immer größer geworden, aus dem enthusiastischen Beatlesfan ist mittlerweile selber ein Star geworden, doch bis vor kurzem betrieb der Kerzenwachszieher seine Kunst noch als Hobby. Vor einem halben Jahr nun wurde Klaus Beyer von seiner Firma, bei der er mehr als zwanzig Jahre tätig war, entlassen. Der Chef hatte sich sehr über einen dahingeworfenen Satz geärgert, den Beyers Mutter in dem Dokumentarfilm „Das andere Universum des Klaus Beyer“ gesprochen hatte. Beyers Mutter hatte in dem Film, den der Beyer- Manager und Bassist der Band „Mutter“ gedreht hatte, gesagt, daß ihr Sohn ruhig zwei Mark mehr für seine Arbeit an der Kerzenwachsziehmaschine bekommen sollte.
„Vor fünf Jahren wurde der Film auch im Fernsehen gezeigt, und da hat das mein Chef gesehen“, berichtet Beyer. „Erst hat der Chef nichts gesagt dazu. Vor kurzem ist das dann wieder im Fernsehen gelaufen, und dann ist das meinem Chef aufgestoßen. Das ginge so nicht weiter. Deshalb hatte er mich an einem Montag ins Büro bestellt und gesagt, er will mich verklagen, weil meine Mutter so etwas sagt. Ich soll also entscheiden: Entweder verklagt er mich, oder ich werde entlassen. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, und dann hat der Chef mir ein Blatt hingelegt und hat mir die Kündigung diktiert. So ist die Entlassung gekommen.“
Zunächst ärgerte sich Klaus Beyer, der wahrscheinlich der freundlichste Mann Berlins ist, über die Kündigung. Inzwischen fehlt ihm seine Arbeit „gar nicht mehr“. Im Gegenteil: „Es war schon immer mein Traum, mich ganz meinem Hobby widmen zu können.“ Das tut er denn auch mit verstärkter Intensität. Mal bei Wohnzimmerkonzerten, mal in Wien beim „Ball des schlechten Geschmacks“, einer Gegenveranstaltung zum Wiener Opernball. „Die waren alle begeistert und so. Eine Zeitung hat sogar geschrieben, daß ich am besten da abgeschnitten hab'.“
Am Dienstag hatte er noch im Fritzsender mit Jürgen Kuttner geplaudert – „Das war ganz toll da. Ein richtig lockeres Gespräch“ –, und am Freitag abend kann man ihn auf der „Großen Klaus Beyer Gala“ im Atelier 4.R der Akademie der Künste (Ost) zusammen mit befreundeten Bands bewundern. Zugesagt haben unter anderem: Mutter, Françoise Cactus, Brezel Göring, Joe Tabu & Band und Our Flying Saucer. Außerdem gibt es einige Videos von und mit Daniel Johnston zu sehen. Daniel Johnston ist der größte Singer- Songwriter der 80er und 90er Jahre. Ohne seine mal depressiven, mal schizophrenen Schübe, die ihn immer wieder in Nervenheilanstalten zwangen, wäre der aus Austin in Texas stammende Dichter, Musiker, Maler so berühmt wie Kurt Cobain, der übrigens 1992 bei der MTV-Preis-Verleihung ein Johnston-T-Shirt trug. Ohne seine psychischen Probleme hätte Johnston, der die Beatles auch enthusiastisch verehrt, allerdings auch nicht so tolle Songs schreiben können.
Bei der Großen Gala wird eine neue EP veröffentlicht, auf der Beyer von seinen Musikerfreunden unterstützt wurde. Am Ende werden alle mit Luftballons um sich werfen und sich wahrscheinlich, wie vor zwei Jahren im Bethanien, glückstrunken an den Händen halten und mitsingen: „Wir leben alle in dem gelben Unterwasserboot.“ Durchs Programm wird Jörg Buttgereit („Nekromantik“) führen. Die Veranstaltung findet übrigens im ehemaligen Atelier von Max Liebermann statt.
Die „Große Klaus Beyer Gala“. Mit: Mutter, Daniel Johnston (Videos), Joe Tabu & Band, Françoise Cactus & Brezel Göring, Our Flying Saucer, Klaus Beyer (Filme, Live und Single-Release). Atelier 4.R, Pariser Platz 4, Eintritt: 19 DM
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