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Press-SchlagWird Deutschland jetzt Weltmeister?

■ Nach der Niederlage gegen Brasilien grinst Bundestrainer Berti Vogts seltsam fröhlich

Die Frage ist grundsätzlich: Wird Deutschland Weltmeister? Oder wenigstens das DFB- Team? Und etwas differenzierter gefragt: Wie, um Himmels willen? Klar ist: Der Trainer heißt erstens Berti Vogts und ist zweitens sehr optimistisch, auf dem „richtigen Weg“ zu sein.

Daß man nach 22 niederlagenlosen Spielen nun gegen Weltmeister Brasilien 1:2 verloren hat, nimmt Vogts zur Kenntnis. Es ändert aber nichts, sagt er: „Wir gehören weiter zu den Favoriten.“ Der Trainer sucht das Positive und hat im Neckarstadion auch ansatzweise etwas finden können. Der Manndecker Christian Wörns, von Vogts genauestens präpariert, sah gegen Ronaldo überraschend gut aus. Zudem nutzte er, wie befohlen, die Päuschen des Stürmers zu zwei bemerkenswerten Vorstößen, von denen letzterer zu Kirstens Ausgleich führte. Deshalb bekam er von Vogts „eine absolute Weltklasseleistung“ attestiert.

Weiter wurden, wie Andreas Möller sagte, „teilweise ganz gut vorbereitete Bälle“ gespielt – allerdings nicht von ihm. Zudem fehlte der entscheidende letzte Paß. Damit ist man schon beim einstigen Hauptflankengeber Christian Ziege, der „seinen Rhythmus nicht fand“ (Vogts). Oder bei der Balance im Team, die sich zwischen den entscheidenden Defensivspielern Thon (hinten ausgelastet), Helmer (zeitweise ungewohnt weit vorn), Hamann (für sich betrachtet souverän) und Kohler allenfalls zart andeutete. Der früh vom Platz gestellte Manndecker Kohler wurde von Vogts gerechterweise für sein „dummes Foul“ so böse gerüffelt, wie er gegen Cafu eingestiegen war. Kohler schaute derweil in die Luft und sagte dann, er sei immerhin „gleich zu ihm hin“ und habe „gefragt, wie's ihm geht“. Wer ihn kenne, wisse, wie es gemeint war. „Gott sei Dank“ (Kohler) flog Brasiliens offenbar ähnlich motivierter Kapitän Dunga später auch noch, so daß sich die Lage in der Innenverteidigung entspannte.

Das Spielen sah ganz effektiv aus, war es aber letztlich nicht. Die Gegentore, weiß Vogts, sind Ausweis internationaler Untauglichkeit. Beim 0:1 will er ein Foul an Heinrich gesehen haben, während der Spieler sich nicht erinnern kann, ob Sampaio „geklammert hat oder nicht“. Darf jedenfalls bei der WM so oder so nicht passieren, sagt Vogts: „Ein deutscher Spieler muß sich wehren.“ Tat man bisweilen auch, und dies so unfair und unfein, daß selbst der Trainer befand, dies sei „nicht unsere Art“. Die ernüchternde Erkenntnis: Die Brasilianer sind damit nicht einzuschüchtern.

Echte Sorgen dürfte Vogts die Entstehung des 1:2 machen. Der Treffer hat sogar Andreas Möller „nachdenklich“ gestimmt. Er war derjenige, der kurz vor Schluß den Ball verlor, als „alle Spieler in der Vorwärtsbewegung waren“ (Vogts). Auch das wird „auf internationalem Level bestraft“.

Nur noch ein Test gegen Nigeria bleibt (22.4., Köln) und keine Lehrgänge, dann muß der Mann sich entscheiden, wen er mit nach Frankreich nimmt. Personell ist eh nicht mehr viel zu verändern. Vogts muß jetzt hoffen, daß er die, die er hat, individuell und im Verbund noch optimieren kann. In Stuttgart wirkte er trotz Niederlage verdächtig gut gelaunt. Er grinste sich mächtig eins über den Trubel um den Kollegen Zagallo und war einmal richtig lustig, als er den Dolmetscher anwies, seinen Beruf auszuüben („Übersetz das!“), damit es auch jeder verstand. „Wir wollen bei der WM auf Brasilien treffen“, hatte er da forsch auf deutsch gesagt. Das nämlich, hat er rausgekriegt, kann nach der Auslosung „frühestens im Halbfinale oder Finale sein“.

Ja, und es bleibt dabei: „Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft heißt Jürgen Klinsmann“ (Vogts), auch wenn Bierhoff deutlich dazugelernt hat und Kirsten richtiggehend nach Tor roch. Was Vogts aber nachdenklich stimmen sollte: Während das zahlende Publikum die Millionärsdiskussion entspannt weiterführte („Mit Yves wär' das nicht passiert“), wurde die Antipathie gegen zwei ihm nahestehende Männer fast verbissen kundgemacht. Diese beiden waren Jürgen Klinsmann und Helmut Kohl. Es wird interessant sein, zu sehen, wer von den dreien noch an seinem Platz sein wird, wenn das Jahr zu Ende ist. pu

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