: Zum ersten Mal kein Kriegsschiff
Hamburger Werft Blohm+Voss arbeitet nach 35 Jahren Fregattenbau an zwei zivilen Luxuslinern. Runde sieht den Standort gesichert ■ Von Kai von Appen
„Totgesagte leben länger!“Bürgermeister Ortwin Runde hatte gestern Grund zum Frohlocken. War er es doch – damals noch in seiner Funktion als Hamburger Finanzsenator –, der der Traditionswerft Blohm+Voss (B+V) mit 134 Millonen Mark Landesbürgschaft den Schritt zurück zum Passagierschiffbau versüßte. Gestern wurde nun per Knopfdruck das erste Bauteil für zwei Luxusliner gefertigt. Es sind die ersten Nicht-Kriegsschiffe, die Blohm und Voss seit 35 Jahren baut.
So lange schon hat B+V in diesem Bereich hartnäckig Abstinenz bewiesen. 1962 lief der letzte Passagierliner, 1975 mit der „Melbourne Express“der letzte Großcontainer vom Stapel. Trotz aller Forderungen, den zivilen Schiffbau zu erhalten und Auftragsengpässe durch Diversifikation zu überbrücken, hatte sich die Thyssen-Werft nach der Fusion mit der HDW-Werft (1984) zunehmend – bis auf den Reparaturbereich – auf Kriegsproduktion konzentriert. Fortan wurden durch Bundesbürgschaften abgesicherte Fregatten- und Korvetten für die Türkei und Argentinien gebaut und kräftig im Panzerwannenbau (“Leopard 2“) mitgemischt.
Erst als diese Aufträge abnahmen, setzte endlich eine Neuorientierung ein. Jetzt, freute sich Runde, sei es „der Werft gelungen, in den prestigeträchtigen Markt der Kreuzschiffahrt einzudringen.“
Zehn Jahre lang hatte sich B+V geziert, dem von ihr neu entwickelten Luxusliner-Typ „Fast Monohull“von der Blaupause zur Produktionsreife zu verhelfen – obwohl der strömungsgünstige high-tech-Kreuzer den Anspruch erhabt, das Schiff der Zukunft zu sein. Die griechische Reederei „Olympic Cruise Line“vertraut offenbar auf die zivile Ingenieurstechnik bei B+V und orderte zwei dieser Riesenpötte.
Trotz 27 Knoten Geschwindigkeit und ihrer 24.500 Bruttoregistertonnen sollen sie 20 Prozent Leistung gegenüber dem konventionellen Schiffbau einsparen. Das Gesamtvolumen des Auftrags, der die Werft bis zum Jahr 2001 auslastet, beträgt 59O Millionen Mark. B+V hofft, Folgeaufträge ins Dock hieven zu können, und Runde spekuliert, „daß der Werftstandort Hamburg gesichert ist.“
Dennoch: Waren 1987 noch 5.000 Menschen bei B+V beschäftigt, sind es jetzt noch knapp 2.100 – 950 im Schiffsneubau, 400 im Reparaturbereich und 750 im Apparate- und Maschinenbau. Und den Entlassenen hilft auch Rundes Apell wenig, nach vollzogenen Struturwandel die Früchte des Erfolges fair zu verteilen. „Alleinige Gewinner darf es nicht geben“, appellierte der Bürgermeister an die Werftbetreiber.
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