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Freundschaft mit Schönheitsfehlern

Südafrikas Präsident Nelson Mandela verbittet sich von Bill Clinton jede Kritik an der Auswahl seiner politischen Freunde. Der US-Präsident bleibt dem Motto „Handel statt Hilfe“ der neuen US-Afrika-Politik treu  ■ Aus Kapstadt Kordula Doerfler

Nachmittags sind die Straßen der Innenstadt von Kapstadt normalerweise hoffnungslos verstopft. Doch in den vergangenen zwei Tagen war alles anders. Selten war die City so ruhig und menschenleer, erschienen die Straßen so großzügig, weil nirgends mehr geparkt werden durfte. Die Kapstädter machten einen großen Bogen um das Stadtzentrum. Dafür konnten sie den US-Präsidenten und seinen tausendköpfigen Troß nur im Fernsehen sehen.

Die regionale Supermacht am Kap der Guten Hoffnung ist im Jahre vier der Demokratie selbstbewußt genug, sich keine Vorschriften aus Washington machen zu lassen. Doch was die Sicherheitsvorkehrungen im eigenen Land für Bill Clinton und seine Entourage anging, hatten die Gastgeber nicht mehr viel zu sagen. Mitten in der Nacht landeten Bill und Hillary auf dem Flughafen von Kapstadt, abgeschirmt von Neugierigen und protestierenden Muslimen. Die wünschten dem US- Präsidenten auf Plakaten nichts weniger als den Tod.

In das Luxushotel im Touristenviertel Waterfront, in dem die beiden Afrika-Reisenden residieren, kommt niemand, der dort nichts zu suchen hat. Selbst die Medien werden für alle offiziellen Anlässe handverlesen. 150 US-Journalisten begleiten Clinton. Darüber hinaus darf jeweils nur eine kleine Gruppe Erwählter in seine Nähe, stundenlange Wartezeiten eingeschlossen. Gehässig, wer da denkt, alles sei nur ein gigantisches Spektakel für zu Hause?

Doch halt, es geht um Afrika. Nicht mehr „für“ Afrika soll Politik gemacht werden, sondern „mit“ Afrika, sagte Clinton am Donnerstag nachmittag in seiner Rede vor dem ersten demokratischen Parlament Südafrikas. Stehende Ovationen sind ihm sicher, wenn er von „afrikanischer Renaissance“ und dem demokratischen Wunder am Kap spricht. Roman Herzog stand hier vor zwei Wochen vor halbleeren Reihen.

Hillary Clinton haucht Nelson Mandela draußen bei der offiziellen Begrüßung zwei Küßchen auf die Wangen. Bill reicht dem mittlerweile etwas Gebrechlichen seine Hand, um ihn über die Stufen zu geleiten. Hillary hakt indessen Mandelas neue Lebensgefährtin Graca Machel unter. Schöne Bilder, gefolgt von noch schöneren Worten. Vorerst.

Doch dann spricht der erste US- Präsident, der jemals nach Südafrika gereist ist, nur 20 Minuten. Und, so dämmert es einem Fernsehkommentator hinterher, er hat auch gar nichts Konkretes versprochen. „Die USA wünschen sich ein starkes Südafrika, das ein gleichberechtigter Partner ist“, sagt Bill Clinton. Wer genau hinhört, erkennt auch darin die neue Linie der US-Afrika-Politik: „Handel statt Hilfe“. Geld hat Clinton kaum im Reisegepäck, dafür ein umstrittenes Handelsgesetz. Afrika bräuchte auch weiterhin Hilfe, kontert Vizepräsident Thabo Mbeki in einem Interview. Die Formel Handel statt Hilfe sei falsch. Trotzdem würdigt Clinton ihn mehrmals und lobt ausdrücklich dessen Führungsqualitäten. Damit stellt er sich schon einmal auf die neuen Verhältnisse ein. Denn Mbeki wird nächstes Jahr Südafrikas Präsident.

Vorerst aber haben die USA es noch mit Mandela zu tun. Der zeigt den aufrechten störrischen Gang. Nach einer mehrstündigen Unterredung mit Clinton faucht der Gastgeber ihn vor versammelter Presse an, er bleibe bei seinen Beziehungen zu Kuba, Libyen und Iran. „Wem das nicht paßt, der kann sich in seinen Swimmingpool werfen“, setzt der sichtlich verärgerte Mandela ganz undiplomatisch drauf. Das sitzt. Schon vergangenes Jahr riskierte er einen Eklat mit Washington, als er Gaddafi in Libyen besuchte und Irans ehemaligen Ministerpräsidenten Rafsandschani empfing. Auch der US-Erzfeind Fidel Castro zählt zu den engen Freunden der einstigen Befreiungsbewegung ANC. Mandela verbittet sich jegliche Einmischung aus dem Weißen Haus gegen Kontakte mit den Pariahs der Völkergemeinschaft.

„Wir haben eine moralische Verpflichtung, zu denen zu stehen, die uns in unseren dunkelsten Stunden unterstützt haben“, sagt er. Und belehrt die USA, daß die UN-Menschenrechtscharta dazu verpflichte, sich auch mit seinen Feinden an einen Tisch zu setzen. Südafrika habe bewiesen, daß es dazu in der Lage sei. Die USA könnten ein Beispiel als Weltmacht setzen, täten sie das gleiche. Etwa mit der Irak-Politik, ließe sich hinzufügen, auch wenn das nicht laut gesagt wurde. Der so Gescholtene sollte dennoch gestern Abend den höchsten Orden Südafrikas verliehen bekommen – eine Ehre, die auch Gaddafi schon zuteil wurde.

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