: Euro: Tietmeyer sorgt sich
Trotzdem läßt Bundesbank Währungsunion durchgehen. Im Bericht ans Kabinett legt sie den Regierungen aber nahe, einen strengeren Sparkurs durchzusetzen ■ Aus Bonn Bettina Gaus
Erheblich deutlicher als vor zwei Tagen das Europäische Währungsinstitut hat gestern der deutsche Zentralbankrat vor einer Teilnahme Belgiens und Italiens an der Europäischen Währungsunion gewarnt. Es bestünden „ernsthafte Besorgnisse“ hinsichtlich der Voraussetzung einer auf Dauer tragbaren Finanzlage der öffentlichen Hand, heißt es im Bericht des Zentralbankrates. Diese ließen sich nur durch zusätzliche substantielle Verpflichtungen ausräumen. Die hohe Staatsverschuldung stelle in einer Reihe von Mitgliedsstaaten eine große Belastung dar. Ein übermäßiger Schuldenstand sei „eine Hypothek und ein Risiko für die künftigte Stabilitätspolitik“.
Die Bundesregierung will dennoch die Währungsunion mit elf EU-Ländern starten. Finanzminister Theo Waigel teilte nach einer gemeinsamen Sitzung des Kabinetts mit Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer in Bonn mit, daß die Ministerrunde gestern die entsprechende Empfehlung der Europäischen Kommission angenommen habe. Die Voraussetzungen seien gegeben, daß der Euro eine dauerhaft stabile Währung sein werde.
Bei Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer waren dagegen skeptische Töne unüberhörbar. Nicht „ohne Vorbehalte“ habe der Zentralbankrat die Aussage der Kommission übernommen, daß in allen genannten Ländern die fiskalische Situation bereits hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit gesichert sei. Tietmeyer wies ausdrücklich darauf hin, daß die Auswahl der Teilnehmerländer letztlich „eine politische Entscheidung“ sei. Die Bundesbank könne da nur beraten.
Auch der Zentralbankrat kommt in seinem Bericht zu dem Ergebnis, daß die Währungsunion „längerfristig große wirtschaftliche Vorteile“ verspreche. In den vergangenen Jahren seien erhebliche Konvergenzfortschritte erreicht worden. Zugleich warnt das Gremium jedoch: „Der starke Rückgang der Haushaltsdefizite im Jahr 1997 ist teilweise auch auf Einmalmaßnahmen zurückzuführen. Für die absehbaren Zukunftsbelastungen wurde außerdem noch nicht überall hinreichend Vorsorge getroffen.“ Die meisten Mitgliedsstaaten seien „bislang nicht ausreichend“ auf die künftigen Verpflichtungen aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt eingestellt.
Längerfristig erwartete Wohlfahrtgewinne werden sich nach Ansicht des Zentralbankrates „nur realisieren lassen, wenn sich insbesondere Lohn- und Sozialpolitik rasch und umfassend auf die neuen Gegebenheiten einstellen“. Es solle klargestellt werden, „daß auch zusätzliche Transferleistungen bei dem derzeit angestrebten Grad der Integration keine Lösung für regionale oder nationale Probleme sein dürfen“.
Das hat das Bundeskabinett in seinem gestrigen Beschluß ebenfalls ausdrücklich betont. Finanzminister Waigel erklärte, die Bundesregierung teile Bedenken aufgrund der hohen Schuldenstände einiger Länder. Er hob hervor: „Nach den vertraglichen Regelungen gibt es keine Haftung der Gemeinschaft für Verbindlichkeiten der Mitgliedsstaaten und keine zusätzlichen Finanztransfers.“
Waigel kündigte an, daß die Bundesregierung bei ihrem Abstimmungsverhalten der Empfehlung der Europäischen Kommission folgen will. Danach werden beim Start in den Euro alle Mitgliedsstaten der Europäischen Union dabeisein bis auf Griechenland, das als einziger Staat aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen bleibt, sowie Großbritannien, Schweden und Dänemark, die aus eigenem Entschluß vorerst nicht an der Währungsunion teilnehmen wollen.
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