Rabiater Kampf im Regen

In neuer Rekordzeit gewinnt die Universität von Cambridge das traditionelle Ruderduell gegen Oxford  ■ Aus London Ronald Reng

Für ein kleines bißchen Eitelkeit ist Platz an Bord, als das Ruderboot der Universität Cambridge am Samstag mittag auf der Londoner Themse loslegt: Der Himmel ist grau, und Stefan Forster trägt eine Sonnenbrille. „Ach, wenn ich erzähle, warum ich die aufhabe, dann lachen doch alle“, sagt er und druckst verlegen herum. Stark und hart, dachte der Würzburger Ruderer, würde er mit der Brille aussehen.

Auf den ersten Blick war die Sonnenbrille im Nieselregen das passende Symbol für den 144. Vergleich zwischen den Universitätsmannschaften von Cambridge und Oxford – das Spektakel drumherum scheint bei der berühmten Bootsfahrt oft wichtiger zu sein als der Sport selbst. Doch wer Stefan Forster während der sechzehnminütigen Wettfahrt ins Gesicht sah, wurde daran erinnert, daß inmitten des Volksfestes, das an den Ufern ablief, 16 Ruderer sportlich Großartiges leisteten. Nicht die Sonnengläser, sondern die vor Schmerz verzerrten Züge waren das Beeindruckendste in Forsters Gesicht. Ruderrennen werden gewöhnlich über 2.000 Meter ausgetragen; Oxford gegen Cambridge ist ein 7,4 Kilometer langer Kampf. „Man gibt mehr, als man eigentlich aushalten kann“, sagt Forster, „du versucht dich in einen Rausch zu steigern, damit du die Schmerzen nicht spürst, aber irgendwann nützt es nichts mehr. Das war heute absolut tödlich.“

16:19 Minuten, so schnell wie Cambridges Achter war noch nie eine Crew unterwegs, seit das Rennen 1829 zum erstenmal ausgetragen wurde. Oxford blieb zwei Bootslängen zurück. Den Takt hatten zwei Deutsche bestimmt, neben Forster (26), dem kräftigsten Athleten im Boot, Cambridges Schlagmann, der Berliner Marc Weber (28). 1995 wurden sie im deutschen Achter gemeinsam Weltmeister, im Vergleich dazu wird der Sieg beim Universitätsrennen in ihrem Lebenslauf allenfalls unter Sonstiges notiert.

Doch so niveaulos, wie unter anderem der für sein Rudererfolge geadelte Sir Steven Redgrave behauptet, ist Oxford gegen Cambridge nicht. Eine Gaudi-Veranstaltung ist das Studentenduell nur an den Ufern, nicht auf dem Wasser. „Bei einer WM würden beide Boote unter die ersten acht kommen“, behauptet Jürgen Hecht (28), 1991 Weltmeister im Achter und am Samstag der dritte Deutsche, der in einem der Boote saß, allerdings in dem der Verlierer.

Nur auf dem ersten Kilometer rückte Oxford Cambridge auf die Pelle, so penetrant teilweise, daß die Ruder beider Teams gegeneinander krachten und der Schiedsrichter Oxford mit der Disqualifikation drohte. Um Cambridge die bessere Position in der Strömung streitig zu machen, sind „die rabiat in uns reingesteuert“, sagte Forster. Cambridge wich nicht aus. „Wir waren heute schön aggressiv.“

Während Forster wieder im Nationalteam starten möchte, wenn er im kommenden Sommer aus Britannien zurückkehrt, haben Weber und Hecht ihre Karriere schon vor Jahren offiziell beendet. Sie kamen in erster Linie zum Studieren nach England. Nebenbei haben sie nun noch einmal die Sportart, von der sie glaubten, alles zu wissen, ganz neu kennengelernt. „In der deutschen Nationalmannschaft gab es viel böses Blut, die Leute haben dir den Erfolg nicht gegönnt. Das halbe Jahr Vorbereitung hier war viel fröhlicher“, sagt Weber.

Die kleinen Details, die das Traditionsrennen so besonders machen, haben sie regelrecht aufgesogen. „Hier“, sagt Stefan Forster im Ziel und zeigt auf eine Gruppe gutgekleideter Männer, bei denen zum eleganten Outfit nur der hellblaue Schal nicht paßt, den sie sich alle umgehängt haben. „Den Schal dürfen sich nur diejenigen kaufen, die für Cambridge gerudert sind“, sagt Forster. Das werde er jetzt auch tun. Aber dann überlegt er noch einmal: „Obwohl, wenn ich dann in Deutschland mit so einem hellblauen Schal herumlaufe, wird sich die Symbolik wohl eher wenigen erschließen.“