Karottensaft teurer, Karotten nicht

■ Seltsame Steuerunterschiede zwischen Produkten und Ländern

Berlin (taz) – Wer Karottensaft kauft, wird künftig mehr bezahlen müssen, wer Karotten kauft, nicht. Denn die Karotten fallen wie alle Lebensmittel unter den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Der wird nicht erhöht. Karottensaft aber ist ein Getränk, also gilt wie für Cola oder Wasser der normale Satz von nunmehr 16 Prozent. Milch wiederum ist ein Grundnahrungsmittel, also sieben Prozent – dasselbe gilt interessanterweise auch für Teebeutel und Kaffeebohnen. Ebenfalls unter den ermäßigten Steuersatz fallen Bücher, Zeitungen und Magazine. Aber auch Gemälde, Kunststiche, Briefmarken (als Sammlungsstücke), Münzen sowie Hörgeräte und Rollstühle.

Mit seinem Mehrwertsteuersatz liegt Deutschland im europäischen Vergleich ganz hinten: Nur Luxemburg verlangt weniger, nämlich 15 Prozent. In Dänemark und Schweden sind gar 25 Prozent fällig, in Finnland 22, Irland verlangt 21 Prozent, auch Großbritannien und die Niederlande liegen mit 17,5 Prozent immer noch höher. Dafür ist in diesen Staaten in der Regel die Einkommens- und Lohnsteuer niedriger.

Die beliebte Behauptung, daß die Menschen mit hohem Einkommen sehr viel mehr Produkte kaufen, für die der höhere Mehrwertsteuersatz gilt, ist falsch. Im Durchschnitt bezahlen ärmere Leute 9,5 Prozent Mehrwertsteuer auf all ihre Konsumgüter, bei den Großverdienern ist es mit 10,4 Prozent nicht wesentlich mehr.

Die Mehrwertsteuer brachte 1997 in Deutschland mit 241 Milliarden Mark inzwischen fast genausoviel ein wie die Lohnsteuer (249 Milliarden). Der Anteil der Mehrwertsteuer am gesamten Steueraufkommen hat seit 1990 kontinuierlich zugenommen, von gut 27 Prozent auf inzwischen 29,5 Prozent. Auch der Anteil der Lohnsteuer nahm seitdem von 31 auf über 34 Prozent zu. Dagegen brach der Steuerertrag auf Gewinne ein: Waren es 1990 noch 14,5 Prozent, sind es nun nur noch 8,5 Prozent. Daran hatten die massiven Abschreibungsmöglichkeiten im Osten großen Anteil. urb