Vom König Kunden

■ Haus unter Strom, doch Stadtwerke hafteten nur zur Hälfte

Für ihre neue Werbekampagne haben sich die Stadtwerke warme Worte einfallen lassen: „Die Kunden stehen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen im Mittelpunkt unseres Handelns“. Für den Bremer Dachdeckermeister Jörg Langkowski (33) sind das nichts als leere Floskeln: Durch einen Fehler im Leitungsnetz der Stadtwerke wurde sein Haus letztes Jahr unter Strom gesetzt. Seine Frau und die damals vierjährige Tochter waren im Urlaub. „Zum Glück“, sagt Langkowski: Die zufällige Berührung einer Messinglampe hätte tödlich sein können.

Doch damit nicht genug: Sämtliche Elektrogeräte waren nur noch Schrott wert. Schaden: Rund 11.000 Mark. Doch obwohl der Überspannungsschaden eindeutig auf den Fehler im Leitungsnetz zurückzuführen war, taten sich die Energieversorger mit der Schadensregulierung schwer. Erst nach sechs Monaten und nachdem Langkowski einen Anwalt eingeschaltet hatte, bezahlten die Stadtwerke 4.897,58 Mark.

Am 17. Februar 1997 war für Langkowski die Welt noch in Ordnung. Handwerker machten sich gerade daran, die neue Küche einzubauen. Als sie in ihrer Frühstückspause die Kaffeemaschine anstellen wollten, stellten sie fest, daß der Strom ausgefallen war. Die Handwerker glaubten, bei den Einbauarbeiten einen Kurzschluß verursacht zu haben. Was sie nicht ahnten: Durch eine defekte Muffe in den Leitungen der Stadtwerke stand das ganze Haus unter Strom.

Langkowski rief den Störungsdienst der Stadtwerke. Für deren Techniker war der Fall klar. „Das waren die Handwerker“, ließ er wissen, sperrte den Strom und riet, den Elektriker zu rufen. Langkowski bestellte den Elektriker Vorweg, der den Schaden sofort erkannte. Durch die defekte Muffe wurde der sogenannte Nulleiter, der den Strom, der ins Haus fließt, wieder neutralisieren soll, mit 380 Volt gespeist. Der Fehler lag bei den Stadtwerken, die Handwerker waren unschuldig.

Langkowski rief wieder den Störungsdienst der Stadtwerke. Doch als die Techniker eintrafen, taten sie sich schwer, den Fehler zu finden. Sie hatten keine Batterien für ihre Meßgeräte dabei. Erst als Langkowski Batterien lieh, stellten sie den Defekt in ihren Leitungen fest. Im Laufe des Nachmittags verwandelte sich Langkowskis Vorgarten in eine Baustelle. „Ein Mitarbeiter grub den Gehweg mit einer Schaufel auf, die übrigen Mitarbeiter standen drumherum und beobachteten ihn“, erinnert er sich. „Ich habe die Leute von den Stadtwerken immer wieder gebeten, die Schäden im Haus festzustellen, aber sie haben sich geweigert und gesagt, den Schaden würde ohnehin die Versicherungsabteilung regulieren.“

In der Tat bekam Langkowski wenige Tage später ein Schreiben von der Versicherungsabteilung der Stadtwerke. „Wie wir Ihnen bereits telefonisch mitgeteilt haben, bitten wir Sie durch eine Fachwerkstatt Kostenvoranschläge für die beschädigten Geräte erstellen zu lassen. Eine Aufstellung der durch den Schadensfall entstandenen Kosten senden Sie uns bitte zu, sobald der gesamte Schadensumfang feststeht. Nach Eingang Ihrer Unterlagen werden wir uns unverzüglich mit Ihnen in Verbindung setzen. Für die Ihnen entstandenen Unannehmlichkeiten bitten wir nochmals um Entschuldigung.“

Was die Versicherungsabteilung verschwieg: Egal, wie hoch ein durch die Stadtwerke verursachter Schaden ist, das Unternehmen haftet selbst bei grob fahrlässig verursachten Schäden aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur für Schäden bis zu 5.000 Mark. „Ich hatte davon keine Ahnung und habe natürlich sofort das Scheckbuch gezückt und alles bezahlt“, erzählt Langkowski. „Ich war in einer Zwangslage. Ich mußte ja alles neu kaufen - von der Kaffeemaschine bis zur Heizung.“Als er den Stadtwerken allerdings die Rechnung von rund 11.000 Mark präsentierte, gab es ein böses Erwachen.

Anstatt sich – wie versprochen – „unverzüglich“zu melden, dauerte die Schadensregulierung sechs Monate. Für den Schaden an den Geräten legten die Stadtwerke den Zeitwert der Geräte zugrunde. Darüber hinaus zogen sie auf Grundlage des Produkthaft-pflichtgesetzes 1.125 Mark Selbstbeteili-gung ab und überwiesen schließlich 4.897,58. Dabei hatte allein der Elektriker, der nur auf Geheiß der Stadtwerke gerufen worden war, weil der Störungsdienst den Fehler nicht erkannt hatte, rund 700 Mark gekostet. „Mir tut das nicht so weh“, sagt Langkowski. „Aber jemand, der finanziell nicht so gut gestellt ist, wäre ganz schön angeschmiert gewesen.“

„Sie sehen mich zerknirscht“, gibt Andreas Brunner, Pressesprecher der Stadtwerke unumwunden zu. „Das ist insgesamt kein begeisternder Vorgang.“Der Fehler sei zu spät erkannt worden, und Batterien gehörten eigentlich selbstverständlich zur Ausrüstung des Störungsdienstes. „Ich nehme diesen Fall mal als kostenlosen Verbesserungsvorschlag“, sagt Brunner. „Juristisch“sei der Vorgang jedoch „einwandfrei abgewickelt“worden. Schließlich bestünde eine Haftungsgrenze von 5.000 Mark, und soviel sei auch annähernd gezahlt worden. „Ds sind die Energieversorgungsunternehmen halt besser gestellt“, sagt Pressesprecher Brunner.

Dem hat Langkowski nichts hinzuzufügen. „Ich als Handwerker muß in voller Höhe für den Schaden aufkommen, den ich anrichte. Die Stadtwerke nicht.“Der Hinweis, die Stadtwerke würden seinen Fall als „kostenlosen Verbesserungsvorschlag“aufnehmen, tröstet ihn nicht. Langkowski: „Das sind nichts als warme Worte.“ kes