: Botschafterin ohne Sprachprobleme
■ Im Ausland ist die Choreographin Susanne Linke fast berühmter als hier / Ein Portrait
Eine deutsche Choreographin bei der Arbeit in der Hitze Westafrikas: Im Freien hat Susanne Linke, Solotänzerin und seit 1994 Leiterin des Bremer Tanztheaters, vor kurzem jungen SenegalesInnen die Ideen des europäischen Tanztheaters vermittelt. Seit 17 Jahren ist sie mit Unterstützung des Goethe-Institutes weltweit als „Kulturbotschafterin“unterwegs. Wegen ihrer Missionen in viele Länder der Erde und wegen internationaler Auftritte als Solotänzerin zählt die 53jährige heute neben Pina Bausch und Reinhild Hoffmann zu den bekanntesten deutschen ChoreographInnen. Fast ist sie im Ausland berühmter als zu Hause.
Susanne Linke, die in der Tradition des deutschen Ausdrucktanzes und der Essener Folkwang-Schule steht, vermittelt ihre Ideen gern und fühlt sich dabei keineswegs als Entwicklungshelferin. Über ihren „mystischen Arbeitsplatz“im Senegal, einen Berg mit Küstenblick, sagt sie: „Hier habe ich für mich die Erde entdeckt, den Sand, die Ackerkrume, den Dreck, den schönen Dreck. Unter einem Zelt, durch das der Wind pfiff, mit Männern zu arbeiten, deren Hautfarbe von nußbraun bis tiefschwarz reichte, das war unheimlich merkwürdig und unheimlich schön.“
Seit den 70er Jahren organisiert das Goethe-Institut Gastspiele deutscher ChoreographInnen wie Bausch, Hans Kresnik und William Forsythe im Ausland, zudem Tanztheaterworkshops mit TänzerInnen vor Ort. Pro Jahr wird über eine Million Mark in das Projekt gesteckt. „Workshops wie die von Susanne Linke sind die Basis unseres kulturellen Dialogs“, sagt Ute Kirchhelle, die Tanzexpertin beim Goethe-Institut.
Bei ihren Auslandstouren stößt die Choreographin auf faszinierende Mentalitäten: Compagnien in Peru haben unter russischen Ballettlehrern eine klassische Tanzausbildung absolviert, Indiens Ballettleute sind vom hochstilisierten Tempeltanz geprägt, die Bewegungen der Senegalesen wirken entsprechend ihren rituellen Tänzen erdgebunden, dynamisch, fröhlich. Solche Traditionen übersetzt Linke mit den SchülerInnen vor Ort in die Moderne. Emotionen verwandelt sie in „Muster der Abstraktion“– eine Vermittlerrolle, die sie auch zu Hause spielt: In ihrer Bremer Compagnie gibt es keinen einzigen deutschen Tänzer.
„Durch meine Ausbildung bei Mary Wigman kann ich mich in fast alle Tänze hineinversetzen“, sagt die Choreographin. Seit 1964 war sie Schülerin der berühmten deutschen Ausdruckstänzerin. Anschließend lernte sie an der Essener Folkwang-Schule „von der Pieke auf die klassische Tanztechnik“.
Heute ist Linke bekannt für ihr „lyrisches Tanztheater“: Auf eine Story wird verzichtet. Statt dessen reiht sie assoziative Bilder aneinander. Nicht um harsche politische Töne geht es dabei – das zeigen ihre mehr als 40 Stücke, darunter „Frauenballett“, „Ruhr-Ort“und „La Chute“. Wichtig ist ihr Allgemein- menschliches wie Trauer und Täuschung. Linke: „Mich begeistern zwiespältige Gemütszustände wie Liebe und Haß, Faszination und Ekel.“Themen, die überall verstanden werden. Sabine Komm (dpa)
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