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Ganz Genreregel

„Palmetto“ ist nicht die schwergewichtige Literaturverfilmung, die man von Volker Schlöndorff erwartet  ■ Von Thomas Winkler

Sollte die Schwarze Serie, und danach sieht es momentan aus, ein kleines Revival erleben, wird Volker Schlöndorff für „Palmetto“ wohl den Preis erben für die respektvollste Adaption der guten alten Genreregeln. Zwar hat er sich ein paar postmoderne Freiheiten erlaubt, so das eine oder andere unappetitliche Detail zum Thema Sterben und Leichenentsorgen, das so explizit in den Originalen natürlich nicht zu finden ist, oder die Tatsache, daß der Held schon nach zehn Minuten als einsamer Wolf scheitert und mit eingeklemmtem Schwanz in die Beziehung zu einer starken, selbstbewußten Frau zurückkehrt. Dieses Frauenbild, das die 40er noch nicht kannten, verliert aber trotzdem ganz entschieden gegen den Retroentwurf von der Femme fatale: Elisabeth Shue glänzt hier mit sehr blondem Haar, sehr roten Lippen und sehr aufgestelltem Busen. Frauen stehen hier nicht einfach rum, sie sind prinzipiell hingegossen.

Ansonsten hat Schlöndorff genau hingesehen, dem Plot aber so viele Wendungen verpaßt, daß der fast zu sehr ins Taumeln gerät. Nichts ist so, wie es zu sein scheint, und niemand der, der er zu sein vorgibt. Aber war es nicht auch so, daß eigentlich niemand die Geschichte von „The Big Sleep“ nacherzählen kann? Auch der Rest ist stimmig inszeniert: die allgegenwärtige Bedrohung, der ständige sexuelle Unterton, die ritualisierten Spielchen, das frühreife Früchtchen, die schiffartigen Autos und die knittrigen Anzüge, die hohe Schule der Coolness im Kontrast zum schweißtreibenden Klima Floridas und der staubigen Enge der titelgebenden Kleinstadt Palmetto.

Es ist Woody Harrelsons Blick, wenn er den Kopf senkt und nach oben guckt, wie ein verschlagener Dackel vielleicht, der dem Thema zwar nichts wirklich Neues abgewinnt, aber dem Film doch einen eigenständigen Charakter gibt. In diesem Blick liegt die ganze Tragik seiner Figur, die mehr in einen Entführungsfall geschubst wird, als daß sie hineinstolpert. In dessen Verlauf und Verwicklungen sie zu einer Marionette wird, die dennoch die Fäden in der Hand zu haben glaubt. In diesem Blick liegt die Dämlichkeit im Kampf mit der Bauernschläue. Und auch wenn klar ist, wer gewinnt, ist genau das hübsch anzusehen. Das mag schon ein wenig sadistisch sein: Betrachten, wie der Fisch im Netz zappelt.

Nur: Viel mehr als eine Fingerübung mit den Genreregeln ist „Palmetto“ dann doch nicht geworden. Er ist nett, kurzweilig, sogar recht spannend und mit ausreichend menschlichem Drama und ein wenig Witz versehen. Oder wie Schlöndorff den Film selbst bezeichnet hat: „Ein kurzer Urlaub von schwerwiegenden Themen.“ Mit „Palmetto“ hat Schlöndorff bewiesen, daß er auch als herzlich normaler Regisseur funktionieren kann. Was viel ist, wenn man gesehen hat, für was er mit „Der Unhold“ einen beträchtlichen Teil der europäischen Filmfördergelder verjubelt hat. Aber in den USA war „Palmetto“ ein B-Picture von einem B-Regisseur, das konsequenterweise nach einer Woche wieder aus den Kinos flog. In Europa sieht die Sache anders aus: Hier hat Volker Schlöndorff einen Namen.

In „Get Shorty“ ging es darum, daß John Travolta mit Mafia-Geld ins Filmgeschäft einsteigen wollte. „Palmetto“ wirkt manchmal wie der Film, der daraus hätte entstehen können. Er sieht im besten Sinne wie ein Abschreibungsobjekt aus. Er sieht aus, als hätte jemand Schlöndorff einen Koffer Geld gegeben und gesagt: „Mach was draus, Volker! Es soll keine Kunst sein, es soll keine Oscars gewinnen und keine Boxoffice-Rekorde brechen, das ist viel zu auffällig. Es soll aber ein wenig Geld reinbringen, notfalls über die Fernsehauswertung. Kein Überflieger, kein völliger Flop, solides Handwerk, du verstehst. Wenn wir plus minus Null rauskommen, ist allen damit geholfen.“ Volker hat es gemacht. Einfach so, ganz locker, ganz entspannt. Und ganz ohne Kunst. Das aber zumindest ist ein kleines Wunder.

„Palmetto“. Regie: Volker Schlöndorff. Buch: E. Max Frye, nach einem Roman von James Hadley Chase. Mit Woody Harrelson, Elisabeth Shue, Gina Gershon, Chloe Sevigny, Michael Rapaport, Rolf Hoppe, USA 1998, 114 Min.

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