Ein Kreislauf aus Rapsöl, Biomüll, Gülle und Strom

■ Energieprojekt in Niederbayern gelingt fast 100prozentiges Recycling zur Stromerzeugung. Expo-2000-Organisatoren sehen eine globale Innovation für das 21. Jahrhundert

Erding (taz) – Zwei niederbayerische Landkreise gehen bei der Verwertung ihres Biomülls neue Wege: In einem Kreislaufprozeß erzeugen Landwirte aus Biomüll, Gülle und Rapsöl Strom. „Wir verarbeiten alles frisch. Das ist unsere Stärke“, sagt Karl Lechner stolz und weist auf das Sortierband, an dem drei Frauen arbeiten. Unter deren flinken Händen wird der Müll aus der Biotonne zu einem wertvollen Rohstoff.

Das dezentrale Modell verringert nicht nur die Entsorgungskosten durch kurze Transportwege. Es schafft auch Arbeitsplätze und sorgt dafür, wie Alfons Sittinger, zuständiger Projektleiter beim Landkreis Rottal-Inn, hervorhebt, „daß das Geld, das die Bürger für die Entsorgung ausgeben, im Landkreis bleibt“. Außerdem vermindert es die Emission der Treibhausgase Methan und Kohlendioxid. Das Konzept fanden die Expo-2000-Organisatoren so bestechend, daß sie es unlängst als eines der „weltweiten Projekte“ auswählten, mit denen die Weltausstellung rund um den Globus innovative Lösungen für das 21. Jahrhundert vorstellen will.

Auf dem Bauernhof seines Bruders Ignaz betreibt Karl Lechner seit zwei Jahren die erste Anlage des Rottaler Modells. Ein zweiter Verwertungsbetrieb steht am anderen Ende des Landkreises, ein dritter ist geplant. Zusammen sollen die drei Anlagen den gesamten Bioabfall der beiden Landkreise verwerten.

Zehn bis zwölf Tonnen Biomüll bekommt Lechners Betrieb pro Tag angeliefert. Nach dem Sortieren läuft der Abfall durch einen Häcksler und verschwindet in einem Betonschacht im Untergrund. „Dort wird das Material eine Stunde auf 70 Grad erhitzt und dadurch hygienisiert“, erklärt Lechner, „dann kommt es in einen Biogastransfermenter.“ Hier wird der Bioabfall zu gleichen Teilen mit Gülle aus dem Kuhstall vermischt. Diese enthält Bakterien, die sich begierig auf den neuen Nährstoff stürzen und das Gebräu in dem unterirdischen Tank zum Gären bringen. Unter Luftabschluß entsteht dabei im Laufe eines Monats Biogas, ein brennbares Gemisch aus Methan und Kohlendioxid.

Das Biogas befeuert den Motor des Blockheizkraftwerks, der in einem schallisolierten Raum im Keller der Halle steht. Er ist das Herzstück der Anlage. „Es ist europaweit die erste Anlage mit einem Pflanzenöl-Zündstrahlmotor“, schwärmt der gelernte Maschinenbautechniker. Pflanzenöl bringt das mächtige Dieselaggregat zum Laufen. Einem Turbodiesel vergleichbar, saugt es das Biogas in die Brennkammer des Motors, wo es zusammen mit dem Pflanzenöl verbrennt. Ergebnis: eine gleichbleibende elektrische Leistung von etwa 85 Kilowattstunden. Zu etwa 10 bis 15 Prozent verbrennt der Motor Pflanzenöl, der Rest ist Biogas. Der Wirkungsgrad übertrifft mit 34 Prozent den eines reinen Gasmotors.

Aus 2.500 Tonnen Biomüll, der Gülle aus der Viehhaltung und 25.000 Kilo Rapsöl hat der Betrieb im zurückliegenden Jahr fast 600.000 Kilowattstunden Strom erzeugt und davon 530.000 ins öffentliche Netz eingespeist. Der Rest diente zur Versorgung von Haus und Hof. „Wir schließen die Kreisläufe“, sagt Karl Lechner. Die Wärme, die bei der Verbrennung entsteht, dient zur Entkeimung des Bioabfalls, erwärmt das Gebräu in den Gärtanks und heizt das Wohnhaus des Hofes.

Als Endprodukt des Vergärung bleibt wertvoller Dünger, der statt Mineraldünger auf den Feldern des Anwesens ausgebracht wird. Hier wächst wiederum der Raps, aus dem Lechner das Öl für sein Zündstrahlaggregat preßt. Die Rückstände der Ölpressung verfüttert sein Bruder an die Rinder, von denen die Gülle stammt. „100 Prozent regenerative Energie. Und 100 Prozent Verwertung“, begeistert sich Lechner, „es gibt bei uns keinerlei Abfall mehr.“ Einzige Schwachstelle: Die Abwärme kann noch nicht vollständig verwertet werden, weil Abnehmer mit kontinuierlichem Wärmebedarf fehlen. Winfried Ketschmer