: „Ich bin ein Reichweiten-Fetischist“
■ Der künftige RTL-Chef hat Österreichs öffentlich-rechtliches Fernsehen nach dem Muster eines Privatsenders geleitet. Nur in eine Aktiengesellschaft hat er es nicht umwandeln können
Egal ob Schriftsteller, Fußballer oder Manager: einen Österreicher, der im Ausland etwas wird, so sinnierte einst die Zeit, umgebe in der Alpenrepublik die „Aura eines Wundertäters“. Demnach müßte der 43jährige Gerhard Zeiler gleich ein Guru sein. Denn der künftige RTL-Chef verdiente sich einst im deutschen Privat-TV seine Sporen, um dann als Generalintendant des ORF nach Wien zurückzukehren. Und jetzt wollen sie ihn noch mal haben, die Deutschen.
Von 1991 an leitete Zeiler den lokalen Münchner Sender Tele5 und machte der Kirch-Station Pro7 Konkurrenz. Doch dann übernahmen Kirch und Springer den Sender und verwandelten ihn in das Deutsche Sportfernsehen. Zeiler mußte gehen und startete kurz darauf den Film- und Seriensender RTL2. Von dort holte ihn die österreichische Sozialdemokratie als ihren Wunschkandidaten zum ORF nach Wien. Er sollte den starren Apparat reformieren.
Kurzerhand schaffte er die Dienstwagenflotte ab, kürzte Etats zusammen, entließ in seinen Augen unfähiges Personal. Das Proporzknäuel der parteiendominierten ORF-Kontrollgremien durchschaute er perfekt. Gleichzeitig trimmte er die beiden TV-Programme auf Quote. „Jawohl, ich bin Reichweiten-Fetischist“, predigte Zeiler, die Einschaltziffern seien schließlich das einzige Maß des Erfolges.
Weil seit einigen Jahren die deutsche Privat-TV-Konkurrenz aus Deutschland einstrahlte, hatte der ORF Zuschauer und Werbegelder verloren. In der „neuen Ära“, wie Zeiler es nannte, müsse der Sender genauer auf die Zielgruppen gucken. Gleichzeitig puschte Zeiler quotenträchtige Unterhaltungssendungen wie Talkshows, verlängerte den Vertrag mit Stadl-Obermusikant Karl Moik. „Zeiler hat im öffentlich- rechtlichen Gewand vor allem ein Fernsehen nach dem Muster erfolgreicher deutscher Privatsender gemacht“, schrieb die liberale österreichische Zeitung Der Standard gestern.
Das letzte Reformprojekt brachte Zeiler dagegen nicht zu Ende. Aus der öffentlich-rechtlichen Konstruktion des ORF wollte er eine Aktiengesellschaft machen. Damit provozierte er heftigen Widerstand im ORF-Kontrollgremium – ausgerechnet kurz vor seiner für dieses Jahr anstehenden Wiederwahl.
ORF-Zentralbetriebsrat Heinz Fiedler prognostizierte schon, der Herr Generalintendant wolle wohl eine offene und keine geheime Abstimmung und damit „mit Schwimmflügerln und Fallschirm zusätzlich antreten“. Doch jetzt schrieb Gerhard Zeiler seinen Mitarbeitern, seine Arbeit werde aus „Unwissenheit und/oder politischer Interessenlage“ torpediert. Da habe er sich für das Angebot aus Deutschland entschieden.
löw
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