: Deutsche Bank schaut über den Tellerrand
■ Sechzehn Beiräte schaffen die „menschlichen“ Kontakte zur Wirtschaft
Hamburg (taz) – Dottore Cesare Romiti kennt sich aus mit Männerkungeleien, schwarzen Kassen und Bilanzfälschungen. Jedenfalls meinte das eine Turiner Strafkammer, die ihn vor einem Jahr zu einer Haftstrafe von 18 Monaten auf Bewährung verurteilte. Das wäre vielleicht ohne Belang, wäre Romiti nicht bei seiner Verurteilung erstens Fiat-Präsident gewesen und zweitens Mitglied eines deutschen Netzwerkes: Doktor Romiti gehört dem „Beirat Stuttgart“ der Deutsche Bank AG an. Deren Einfluß und Macht gründet sich nicht allein auf der Bilanzbillion sowie schwergewichtigen Industrieaktien, sondern auch auf allzu Menschlichem. In Aufsichtsrat und zentralem „Beraterkreis“ hat sie die Spitzen der bundesdeutschen Wirtschaft versammelt, aber auch Vertreter ausländischer Konzerne wie BP, General Motors oder Nestlé. Wer hier keinen Platz mehr gefunden hat, muß sich mit einem Sitz in einem der 16 regionalen Beiräte begnügen.
Über 700 Beiratsmitglieder verzeichnet die Deutsche Bank in einer Broschüre. Nun mögen solche institutionellen Anbindungen bei Unternehmern und Topmanagern als Selbstverständlichkeit erscheinen, auch wenn ganze Branchen wie die Automobilindustrie oder das Versicherungsgewerbe sich treffen. Irritationen lösen allerdings selbst bei Experten personelle Verflechtungen mit Kultur, Medien oder Politik aus: So tagen in Deutsche-Bank-Beiräten der langjährige bayerische Finanzminister Huber, sein sächsischer Kollege und auch der altbewährte CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep. Und im Hamburger Beirat versammelt sich mehrmals im Jahr die Printmedien-Prominenz – von Axel Springer über Gruner + Jahr bis zum Spiegel-Verlag. Auch der Intendant der Hamburgischen Staatsoper ist Mitglied, ebenso wie seine Intendantenkollegen vom Mitteldeutschen Rundfunk und vom ZDF. Neben der Ehre gebe es eine „minimale Aufwandsentschädigung“, erklärt ein Sprecher der Deutschen Bank. 1991 – für dieses Jahr wurden letztmals Zahlen bekannt – schüttete die Deutsche Bank 3.815.970 Mark an die Bezirksbeiräte aus, keine 6.000 Mark pro Mann.
Für den Geldgiganten sind seine Beiräte „Kontaktstellen zur Wirtschaft“ sowie Ratgeber für die regionale Direktion. Und die Verflechtung mit Nichtökonomen suche man auch „über den ökonomischen Tellerrand hinaus“, um so „ein Gespür“ für Strömungen und Trends zu bekommen. Banksprecher Schumacher: „Man muß nicht immer Kungelei vermuten.“ Ein Blick in die zugänglichen Vorkriegsakten der Deutschen Bank nährt allerdings den Verdacht: Beiratsmitglieder werden darin jeweils als „unser Mann“ da draußen begriffen! Und für den entsteht zumindest die „Verpflichtung einer entsprechenden Pflege der Bankkontakte“. Dottore Romiti muß dies nicht gewußt haben, jedenfalls ist er in die Berufung gegangen. Hermannus Pfeiffer
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