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Saalfeld fühlt sich verleumdet

■ Die Thüringer Kleinstadt will eine Bundestagsabgeordnete von den Grünen verklagen, weil diese Saalfeld als Nazihochburg bezeichnet hat

Nürnberg (taz) – Die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach aus Bielefeld hat merkwürdige Post bekommen. Schriftlich droht ihr Richard Beetz, CDU-Bürgermeister der thüringischen Kleinstadt Saalfeld, rechtliche Schritte an, da sie mit dem Ausdruck „Neonazihochburg“ die Stadt und das Ansehen der Bürger „schmählich herabgewürdigt“ habe. Die Stadtverwaltung Görlitz wiederum fordert von Buntenbach, sie solle sofort im Stadtgebiet geklebte Plakate entfernen oder gleich „im Wege der Ersatzvornahme“ 1.000 Mark an die Stadtkasse zahlen. Die Plakate gegen Faschismus seien eine „Verunstaltung“ des Stadtbilds. Anlaß für beide Briefe: Annelie Buntenbach hatte die Demonstration unter dem Motto „Gegen jeden rechten Konsens“ angemeldet, bei der am 14. März rund 4.000 Demonstranten durch Saalfeld zogen.

In ihrer Presseerklärung hatte die Abgeordnete Saalfeld nicht nur als „Neonazihochburg“ bezeichnet. Sie hatte behauptet, daß in Saalfeld „kaum ein Tag ohne neonazistische Aktionen und Angriffe“ vergehe und ausländische Menschen sich in der Kleinstadt „nicht mehr angstfrei im öffentlichen Raum bewegen“ könnten.

Obwohl in den thüringischen Verfassungsschutzberichten der letzten Jahre der Raum Saalfeld/ Rudolstadt stets als Gebiet mit verstärktem rechtsextremem und neonazistischem Treiben hervorgehoben wurde, findet CDU- Mann Beetz die Äußerungen von Buntenbach „dreist, erweislich unwahr, bar jeder Kenntnis“ und damit „verleumderisch“. Zur Begründung führt er an, daß sich die 1997 registrierten 284 rechtsextremen Straftaten nicht auf das Stadtgebiet, sondern „auf das gesamte Gebiet der Polizeidirektion Saalfeld“ bezögen. Rückendeckung holte sich Beetz bei seinem Stadtrat. 20 von 34 Räten plädierten für ein juristisches Vorgehen gegen Buntenbach, sollte sie ihre Aussagen nicht zurücknehmen.

Da die Abgeordnete weder die von der Stadtverwaltung Görlitz geforderte Entfernung von plakatierten Aufrufen für die Saalfeld- Demo vornehmen noch die Kosten in Höhe von 1.000 Mark tragen will, wird es wohl auch hier zum Verfahren kommen. Grundlage wird die am 10. Juli 1997 beschlossene Änderung der Polizeiverordnung von Görlitz sein. Im Sinne eines „sauberen und gepflegten Stadtbilds“ hat demnach auch derjenige, der „als Veranstalter des auf einem Plakat beschriebenen Ereignisses anzusehen ist“, für die Beseitigung der „Verunstaltungen“ aufzukommen. Eine noch strengere „Innenstadtsatzung“ sieht im thüringischen Suhl sogar vor, daß das Verteilen von Flugblättern im Stadtzentrum ohne Ausnahmegenehmigung verboten ist.

Solche Verordnungen und insbesondere die strengen Auflagen, denen die antifaschistische Demonstration in Saalfeld vom Landratsamt unterworfen wurde, erinnern den thüringischen Landtagsvizepräsidenten Roland Hahnemann an das „Überwachungs- und Disziplinierungsbedürfnis der alten DDR“. Der PDS-Landtagsabgeordnete hatte am Abend vor der Saalfeld-Kundgebung an einer Anhörung der Demo-Veranstalter beim Oberverwaltungsgericht Erfurt teilgenommen. Dort hatte sich, so Hahnemann, Thüringens Verfassungsschutzpräsident Helmut Roewer damit gebrüstet, daß er über „Dienstreisen leitender Gewerkschafter im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Demonstration genau Bescheid“ wisse. „Roewer vermittelte uns den Eindruck, daß hier eine Observation stattgefunden hat“, betont Hahnemann. Bernd Siegler

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