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Junkies zurück in Hauseingänge

Open-Air-Druckraum hinter der Roten Flora plattgemacht. Bezirk: „Da wurde gedealt – wie beim Aldi.“Floristen fühlen sich provoziert  ■ Von Silke Mertins

Gestern morgen sieben Uhr: Geschützt von Polizisten läßt der Bezirk Altona den provisorischen Druckraum hinter der Roten Flora im Schanzenviertel räumen. Widerstand gab es nicht, so Klaus Leven, stellvertretender Bezirksamtsleiter. Zu dieser „unbequemen Tageszeit“war niemand dort.

Die FloristInnen hatten der Drogenszene den Verschlag unter der Holzveranda zur Verfügung gestellt, weil Öffnungszeiten und Kapazitäten des benachbarten Gesundheitsraums FixStern nicht ausreichen. Noch am Donnerstag hieß es, man lasse sich in die „polizeiliche Vertreibungspolitik“nicht einbinden und lehne Gespräche mit der Revierwache 16 ab. Noch am selben Tag fällte der Bezirk Altona die Entscheidung zur Räumung.

Der Verschlag sei „ungenehmigt gebaut“worden und „wäre auch gar nicht genehmigungsfähig“, begründete Leven das bezirkliche Vorgehen. Man habe zudem Kenntnis davon erhalten, daß „dort strafbare Handlungen“stattfänden. Geduldet werde nicht nur Konsum, sondern auch Drogenhandel. „Das ist eine Störung der öffentlichen Sicherheit“, so Leven. „Da wurde in atemberaubender Weise gedealt, das war wie beim Aldi.“

Es sei schließlich auch „im Interesse der Leute in der Roten Flora“, daß der Bezirk dieser „Zweckentfremdung“ein Ende setze. Ob sich die Probleme im Schanzenviertel dadurch verschärfen und Junkies nun erneut auf Hauseingänge und Spielplätze ausweichen, kann Leven nicht beurteilen. „Damit muß sich die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales befassen“, meint er.

„Wir beraten gegenwärtig intensiv“, versichert die dortige Sprecherin Petra Bäuerle. Es soll wieder einmal einen Runden Tisch geben. Die Situation sei „auf jeden Fall schwierig“. Den Bedarf für eine zweite Einrichtung im Schanzenviertel bestätigt der Drogenbeauftragte Horst Bossong zwar. Doch man habe „Probleme bei der Finanzierung“, so Bäuerle. Allein der FixStern mit derzeit 16 Stunden Öffnungszeit pro Woche kostet jährlich 850.000 Mark. Rot-grün hat aber nur zwei Millionen Mark für vier neue Fixerstuben zur Verfügung gestellt. Ab kommendem Monat, wenn der Krankenstand zurückgegangen sei, sollen die Öffnungszeiten eventuell wieder ausgeweitet werden, betonte gestern FixStern-Geschäftsführer Norbert Dworsky.

Die RotfloristInnen sind derweil nicht bereit, die Aktion des Bezirks hinzunehmen. „Das ist ein Affront und eine Provokation“, sagte ein Sprecher. Mit der Räumung habe man „eine neue Eskalationsstufe“erreicht, über die man heute im Flora-Plenum beraten wolle. Statt politische Lösungen zu finden, fielen dem Staat nur „Repressionen und Plattmachen“ein.

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