Milošević zieht ein Referendum aus seiner Trickkiste

■ Jugoslawiens Präsident will in einer Volksabstimmung über eine internationale Vermittlung im Kosovo entscheiden lassen. Die kosovo-albanische Führung soll ins Abseits gedrängt werden

Berlin (taz) — Der Vorschlag des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević an die serbische Führung, ein Referendum über die internationale Vermittlung im Kosovo-Konflikt abzuhalten, ist bei der kosovo-albanischen Führung auf Ablehnung gestoßen. Damit wolle Milošević nur Zeit gewinnen und Verhandlungen über eine politische Lösung verhindern, hieß es gestern in Priština. Dagegen wurde der am Donnerstag veröffentlichte Brief von Milošević in Belgrad positiv aufgenommen. Am Montag will das serbische Parlament über den Vorschlag entscheiden. Danach sollen die Bürger befragt werden, ob sie eine Beteiligung des Auslandes an der „Lösung des Kosovo-Problems“ akzeptieren würden. Das Referendum soll im Mai stattfinden.

Im Hintergrund dieser Debatte steht die Frage, ob die internationale Gemeinschaft Einfluß auf den Gang der Dinge im Kosovo nehmen darf oder soll, wie dies von demokratischen Oppositionellen und von der Regierung der mit Serbien im Bundesstaat Jugoslawien verbundenen Republik Montenegro gefordert wird. Der schon bestimmte Vermittler, der ehemalige spanische Ministerpräsident Felipe Gonzáles, steht auf Abruf bereit. Die Führung in Belgrad sieht in der Vermittlung jedoch einen Versuch, die Souveränität Serbiens herabzusetzen. Man will das Problem Kosovo als innerserbisches angesehen wissen.

Würde sich die Mehrheit gegen eine internationale Vermittlung aussprechen, hätte die serbische Führung erst einmal Zeit gewonnen. Sie käme jedoch einer politischen Lösung keinen Schritt näher. Käme allerdings wider Erwarten eine Mehrheit für Verhandlungen zustande, könnte eine friedliche Lösung angepeilt werden. Eine solche Mehrheit wäre jedoch nur möglich, wenn die Albaner des Kosovo an dem serbischen Volksentscheid teilnehmen.

Die kosovo-albanische Führung muß jedoch auf einer internationalen Vermittlung bestehen, will sie sich nicht im Rahmen des serbischen Staates bewegen. Seit der Aufhebung der Autonomie 1989 hat sie die serbische Verfassung abgelehnt und zum Wahlboykott aufgerufen. Der militärische Druck, der von seiten der serbischen Führung ausgeübt wird — nach wie vor sind serbische Spezialeinheiten dabei, ganze Regionen des Kosovo abzuriegeln — treibt die kosovo-albanische Bevölkerung zudem in eine kompromißlose Position. Je länger die Repression andauert, desto schwieriger wird es, sie zur Teilnahme an einer Volksabstimmung im Rahmen des serbischen Staates zu bewegen. Genau dies könnte der Hintergrund für Miloševićs Vorschlag, ein Referendum abzuhalten, sein: der Schwarze Peter soll nach Priština geschoben werden. Erich Rathfelder