: Schrott und Schönklang
■ Obacht: Im bizarren Billbrooker KlangHaus bearbeitet Ferdinand Försch Kontrabässe mit Schußwaffen
In jungen Jahren setzte sich Ferdinand Försch auf den Gipfel eines Schrotthaufens und dachte über seine Zukunft nach. Er wollte neue Klänge erzeugen. 20 Jahre später: Ferdinand Försch sitzt in seinem eigenen Konzertsaal, umgeben von selbstgebauten Instrumenten, und durch die insgesamt 600 Quadratmeter großen Räume seines Ateliers schwingen Klänge, wie man sie noch nie zuvor gehört hat.
„Mit dem Einzug ins KlangHaus im September letzten Jahres ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen“, erklärt der ehemalige Musikstudent, der in dem Backsteingebäude im Billbrooker Industriegebiet wohnt, Instrumente baut und vor allem auf diesen spielt. Endlich habe er ein Haus, in dem er alle seine Klangkörper aufbauen könne, so der 51jährige. Das ewige Umbauen sei eine Plage gewesen.
Wenn man die gewaltigen Metallkonstruktionen, die wie Schreine für eine außerirdische Gottheit ausehen, betrachtet, glaubt man Försch aufs Wort. Der Klang der Instrumente, die so schillernde Namen wie „Magic Drum“oder „Arconstele“tragen, überflügelt noch ihre futuristische Schönheit. Im Zuschauerraum sitzend, verrenkt der Zuhörer Hals und Ohr, um den Ursprungsort der schnarrenden und zirpenden Soundgefüge zu entdecken. Hinter verborgenen Stahlbögen, an denen Baß- und Klaviersaiten gespannt sind, in ovalen Resonazkörpern wird das Wortfeld „Klang“geplündert, während Försch wie in Trance seine Instrumente bespielt.
„Es geht mir vor allem um die Verbindung der beiden Begriffe ,Form' und ,Klang'“, erklärt Wahl-Hamburger Försch, dessen Kopf- und Gesichtshaar an den Wahl-Hawaiianer Magnum erinnert. „Eine Möglichkeit besteht darin, sich beim Bauen der Instrumente ganz auf den Klang zu konzentrieren, den man erzeugen will. Dabei lerne ich etwas über die dafür notwendige Form.“Ferdinand Försch arbeitet aber auch umgekehrt. Manche Arbeiten sind vor allem nach visuellen Kriterien gestaltet worden. Der Klang wird später erkundet.
Egal, wie lange das Instrument auf Förschs Werkbank gestanden hat, für jeden Klangkörper wird nur ein Stück komponiert. Das wirkt wie Verschwendung, scheinen die akustischen Möglichkeiten der Instrumente, die man von vorne und hinten, mit Schlegeln oder mit den Händen bespielen kann, doch unerschöpflich.
Förschs rastloses Künstlertum verlangt nach immer neuen Ausdrucksformen. Damit steht er nicht allein. „Es gibt viele Künstler, die sich außerhalb der kulturellen Architektur aufhalten. Leute, die Neues ausprobieren wollen. Denen biete ich hier im KlangHaus eine Bühne“. Die Konzerte und Performances, die vielversprechende Titel wie „elektrifizierter, mit Schußwaffen bearbeiteter Kontrabaß“tragen, finden unregelmäßig neben den vierteljährigen Solokonzerten des KlangHausherrn statt. Besuch ist – nach Ankündigung – immer willkommen.
York Pijahn
KlangHaus, Berzeliusstraße 89 (Billbrook, Tel.: 73 67 17 93). Besuch nach Absprache
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen