: „Gemeinsame Grundlage für Finanzpolitik ist da“
■ Grüne und rote HaushaltspolitikerInnen Wowereit und Schreyer suchten Gemeinsamkeiten
Wieviel finanzpolitischen Spielraum hätte ein rot-grünes Bündnis nach den nächsten Wahlen? Die Botschaft, die die Haushaltspolitiker von Grünen und SPD, Michaele Schreyer und Klaus Wowereit, dem Publikum im Rathaus Schöneberg am Dienstag abend überbrachten, war gleichermaßen ernüchternd. „Es werden noch auf alle harte Zeiten zukommen“, sagte Wowereit. Die bündnisgrüne Michaele Schreyer prognostizierte: „Am Ende der Legislaturperiode wird die Lage viel schwieriger sein, als sie es am Anfang war.“ Denn mit den Vermögensverkäufen könne das Land nur vorübergehend die Haushaltslöcher stopfen, auch in den nächsten Jahren werde die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben im Haushalt mehrere Milliarden Mark betragen.
Außerdem wachse der Schuldenberg immer weiter, von 56 Milliarden Mark im Jahr 1997 auf 65 Milliarden Mark in diesem Jahr. „Der Zwang zum Sparen wird immer stärker“, sagte Schreyer. „Ich sage das so deutlich, weil oft die Erwartung besteht, daß es in den nächsten Jahren wieder mehr Spielraum gibt.“
Wowereit pflichtete Schreyer bei. Spätestens 1992 hätte man umsteuern müssen, es hätte ein neues Kostenbewußtsein entstehen müssen. Den Messeausbau hätte man billiger machen können, so Wowereit und mußte sich von Schreyer daran erinnern lassen, daß die SPD damals schon auf den Regierungsbänken saß. Aber auch in der SPD müssen Haushaltspolitiker hart für den Sparkurs kämpfen, merkte Wowereit an. Es sei nicht leicht gewesen, das „absurde System der Wohnungsbauförderung“ runterzufahren, bei dem eine Sozialwohnung 600.000 Mark koste.
Wowereit hoffte, „daß wir bald eine andere Regierung haben“. Mit Schreyer war er sich einig, daß Investitionen, die Arbeitsplätze schaffen, Vorrang haben müßten. Dazu zähle die Modernisierung von Altbauwohnungen und die Sanierung von Plattenbauten. Doch die von Schreyer geforderte Wiedereinführung der Stellplatzabgabe für Investoren, die SPD-Bausenator Wolfgang Nagel 1994 abgeschafft hatte, lehnte Wowereit ab – auch wenn dies jährlich 200 Millionen Mark einbrächte.
Dafür wagte er sich mit einer provokativen Forderung vor: Entgegen des Kurses der Großen Koalition sprach sich Wowereit für betriebsbedingte Kündigungen aus. Die Personalkosten im öffentlichen Dienst müßten von jährlich 14 Milliarden Mark mindestens um eine Milliarde gesenkt werden. Wer sich von vornherein auf einen Entlassungsstopp einlasse, habe kein Faustpfand, um mit den Gewerkschaften über Arbeitszeitverkürzung oder eine befristete Kürzung des 13. Monatsgehalts zu verhandeln. Doch Schreyer sprach sich entschieden gegen betriebsbedingte Kündigungen aus. Dies würde die Zustimmung der Mitarbeiter zu so wichtigen Vorhaben wie der Verwaltungsreform untergraben.
Abschließend sprach Wowereit von einer „großen Übereinkunft“ von SPD und Grünen in der Finanzpolitik. „Die Grundlage ist da. Aber machen wir uns nichts vor: In der konkreten Umsetzung könnte es schwierig werden.“ Dorothee Winden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen