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■ Welt Weit GrönlingSexuelle Berührung, bekleidet

Politiker und Geschäftsleute reden viel, auch Marc Andreessen: „Netscape stands for open standards“ – das hatte er vor zwei Jahren verkündet. Damals ging es um den Communications Decency Act und die am Ende erfolgreiche Blue Ribbon Campaign. Doch von „Free Speech Online“ ist heute nicht mehr die Rede. Die deutsche Version des „Netscape Communicator 4.05“ wird „Net Watch“ enthalten, eine Art Kindersicherung. Damit wolle Netscape den Anforderungen des Deutschen Multimediagesetzes und den Wünschen deutscher Provider, wie etwa T-Online, gerecht, sagt Andreessens deutsche Filiale.

Schön, bei dieser Gelegenheit zu erfahren, daß es da ganz besondere Wünsche gibt. Wer wirklich nur nach Pornos online sucht, weil das so schön anonym geht, ist beim tattrigen BTX-System immer noch gut bedient. Niemand hat bisher darüber gezetert, dabei kann der Decoder durchaus auch von Kindern bedient werden. Andreessen scheint das nicht zu wissen und sich auch sonst in der deutschen Politik nicht gut auszukennen. Für das deutsche Multimediagesetz hätte er seinen Browser nicht erweitern müssen. Danach sind Provider, die nichts weiter als einen soliden Zugang zum Internet verkaufen, keineswegs dafür verantwortlich, was ihre Kunden über ihren Rechner schleusen. Wollen sie jetzt plötzlich doch wieder Blockwarte werden und haben ausgerechnet Netscape um Hilfe gebeten?

Wohl kaum. Net Watch greift auf die Regeln des amerikanischen Recreational Software Advisory Council (RSAC) zurück. Damit können Betreiber von Websites ihre Produkte nach einem standardisierten Verfahren beschreiben und bewerten. Man kann das „Freiwillige Selbstkontrolle“ nennen, oder auch einfach nur Zensur. Bei Microsoft gibt es das schon länger: Im Internet Explorer findet man ganz hinten einen paßwortgeschützten „Inhaltsratgeber“. Jeweils 5 Stufen gibt es, bei „Gewalt“ unterscheidet man zwischen „Töten“ und „Töten mit Blut“. „Nacktaufnahmen“ sind etwas anderes als „Sex“, aber wer verzichtet schon freiwillig auf „Leidenschaftliches Küssen“ und „Sexuelle Berührung, bekleidet“? Schön ist auch der Punkt „Sprache“. Webseiten in nicht anstößiger, fluchfreier Umgangssprache gehören zur harmlosen Stufe. Wer aber die Stufe mit den mittelschweren Kraftausdrücken und sexuell bezogenen anatomischen Anspielungen auswählt, wird die Online- taz vermutlich nicht mehr lesen können. Einen Punkt für „Dummheit in 5 Stufen“ gibt es leider nicht. Wenn es ihn gäbe, stünde Netscape ganz oben. Dieter Grönling

dieter@taz.de

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