: Rechter Wahlkampf in Sachsen-Anhalt
Bei den Landtagswahlen am 26. April will die rechtsextremistische DVU die Fünfprozenthürde überspringen. Dank eines millionenteuren Wahlkampfs hat sie durchaus Chancen. Die Reps hingegen sind tief zerstritten ■ Von Toralf Staud
Berlin (taz) – Ginge es nach dem Vorsitzenden der rechtsextremistischen Deutschen Volksunion (DVU), dürfte seine Partei in Sachsen-Anhalt unter Polizeischutz Wahlkampf machen.
Einen Brief mit dieser Forderung schrieb Gerhard Frey an Sachsen-Anhalts Innenminister, nachdem am Ostersamstag im altmärkischen Kalbe drei DVU-Leute überfallen wurden. Ein „Rollkommando von 15 Autonomen“ habe einen Kandidaten für die Landtagswahl und zwei Begleiter krankenhausreif geprügelt. Diese „brutalen Eingriffe in den Wahlkampf“, so der rechte Verleger Frey, müßten „niedergeschlagen“ werden.
Der Überfall wurde gestern von der Polizei bestätigt. Die Parteizugehörigkeit der Opfer, die offenbar beim Plakate-Kleben waren, sei nicht bekannt, ebensowenig die Schwere der Verletzungen und die Identität der Täter.
Seit Wochen überschwemmt die DVU Sachsen-Anhalt mit Wahlkampfmaterial. Hunderttausendfach steckten Postwurfsendungen in offiziell scheinenden Umschlägen in den Briefkästen. Über Magdeburg kreist regelmäßig ein Flugzeug mit DVU-Spruchband. Mehr als 20.000 Plakate sind im ganzen Land geklebt, meist auf Holztafeln in drei Metern Höhe an Laternenpfähle gehängt, damit sie nicht so leicht abzureißen sind.
„Die investieren ungefähr drei Millionen Mark, mehr als alle anderen Parteien“, schätzt der Präsident des sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzes, Wolfgang Heidelberg. Zum Vergleich: Die SPD gibt schätzungsweise zwei Millionen Mark aus.
Das Programm der DVU ist eine Mischung aus sozialen Forderungen und rechten Parolen. Es zielt auf die fast 25 Prozent Arbeitslosen in Sachsen-Anhalt, dem – wie die DVU es nennt – „Armenhaus der Republik“. Ein Recht auf einen Ausbildungsplatz und mehr Geld für Kindertagesstätten verlangt die Partei. Sie fordert „deutsche Arbeitsplätze für deutsche Arbeitnehmer“, „Vorrang für Deutsche bei staatlichen Leistungen“ und „weniger deutsches Geld“ für die EU. „Deutschenbeauftragte“ sollten sich „um die Sorgen der Deutschen kümmern“ und „kriminelle Ausländer“ abgeschoben werden. Das alles, weil „Sachsen-Anhalt deutsch bleiben soll“. Gezielt umwirbt die DVU Protestwähler.
Mit persönlich adressierten Briefen wendet sich die DVU an Wähler unter 30 und über 60 Jahre. Die Daten besorgt sie sich – wie alle anderen Parteien hat sie das Recht dazu – bei den Meldebehörden. So gab die Stadtverwaltung in Halle 186.000 Anschriften heraus. Dessau weigerte sich. Der Schutz der Bürger sei der der Kommune wichtiger als die Rechte von Parteien, begründet die Leiterin des Bürgeramts, Rosemarie Dedecke. Die Stadt hat nun eine Klage am Hals.
Obwohl die DVU in Sachsen- Anhalt, wie Verfassungsschutzpräsident Heidelberg sagt, „strukturell sehr schwach“ ist, könnte sie durchaus den Sprung über die Fünfprozenthürde schaffen. Der Erfolg wird stark davon abhängen, ob die PDS trotz Tolerierung der rot-grünen Minderheitsregierung weiter erfolgreich als Sammler von Proteststimmen auftreten kann.
Bei der Landtagswahl vor vier Jahren erhielten rechte Parteien in Sachsen-Anhalt nur 1,6 Prozent. In aktuellen Umfragen kommen die Reps, die als einzige rechtsradikale Partei separat erfaßt wird, auf bis zu vier Prozent. Doch die Partei ist tief zerstritten, seit der Bundesverband gegen den Willen der Landesfunktionäre eine Listenverbindung mit der konservativen DSU eingehen wollte, was aber an Formfehlern scheiterte.
Die NPD ist nicht zur Wahl zugelassen, weil sie nicht genug Unterstützungsunterschriften zusammenbekam. So werden neben der DVU einzig die Kandidaten der Landes-Reps antreten. Doch die haben laut Verfassungsschutzpräsident Heidelberg keinen Wahlkampf gemacht. Wegen des innerparteilichen Zoffs haben sie wohl total „resigniert“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen