: Die Frage der Entwaffnung bleibt offen
■ Die Knarren müssen abgegeben werden. Nur wann, das wurde in Belfast nicht genau geregelt. Die nächste Krise ist damit programmiert
Ein Thema hat die nordirischen Friedensverhandlungen von Anfang an dominiert und bleibt auch künftig ein Fallstrick für das Abkommen: „Decommissioning“, die Ausmusterung der IRA-Waffen. Unionistenchef David Trimble hat das Waffenarsenal in den vergangenen 22 Monaten immer wieder vorgeschoben, um direkte Gespräche mit Sinn Féin zu vermeiden. Mit den loyalistischen Waffen hatte er freilich keine Probleme: Vor zwei Jahren zeigte er sich auf einer Parade Hand in Hand mit Billy Wright, einem kaltblütigen Gewalttäter, der vorige Weihnachten im Gefängnis Long Kesh ermordet worden ist.
Das Abkommen vom Karfreitag behandelt die Waffenfrage – wie auch viele andere Punkte – äußerst vage. Die Vertragspartner verpflichten sich, so heißt es, „ihren ganzen Einfluß zu nutzen, um die Ausmusterung aller paramilitärischer Waffen innerhalb von zwei Jahren nach Annahme des Abkommens in den Volksentscheiden“ durchzusetzen. Im Juni werden die Regierungen in London und Dublin die Richtlinien dafür aufstellen.
Trimble, der unter Beschuß der Hardliner aus seiner eigenen Partei geraten war, hatte dem Parteivorstand versprochen, daß die IRA zumindest einen Teil ihrer Waffen herausrücken müsse, bevor Sinn Féin die Sitze in der nordirischen Regierung einnehmen könne.
Das stand jedoch so nicht in dem Abkommen, und eine Reihe von Trimbles Kollegen rebellierten. In der Nacht zum Freitag, als die Verhandlungsfrist eigentlich abgelaufen war, drohte Trimble mit Boykott, und Tony Blair gab nach. In einer getrennten Übereinkunft versprach der Premierminister, Sinn Féin aus der nordirischen Regierung zu werfen, falls die IRA bis Jahresende nicht mit der Ausmusterung ihrer Waffen begonnen habe.
Doch selbst das ist den Unionisten nicht früh genug. Trimbles Berater sagte am Wochenende, daß die ersten Waffen direkt nach den nordirischen Wahlen herausgerückt werden müssen. Andernfalls werde man sich nicht mit Sinn Féin an den Kabinettstisch setzen. Die irische Regierung hat sich bisher nicht zu dem Privatabkommen zwischen Blair und Trimble geäußert, doch niemand rechnet damit, daß sich die IRA daran halten wird. Die Frage der Waffenausmusterung wird das Abkommen wohl gleich in seine erste Krise stürzen.
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