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Teherans Polizei mischt Demo auf

■ Trotz Regierungsappell demonstrieren iranische Studenten an der Universität für den Präsidenten Chatami und den inhaftierten Bürgermeister Karbaschi. Hunderte werden verhaftet

Berlin (taz) – Einige tausend iranische BürgerInnen brachten gestern die Teheraner Polizei in ein Dilemma. Sie demonstrierten – und das galt es zu verhindern –, aber sie demonstrierten für den Staatspräsidenten. Die Polizei entschied sich für die harte Gangart: Schlagstöcke schwingend gingen sie gegen die Demonstranten – meist StudentInnen – vor. Laut Augenzeugen wurden mehrere hundert Demoteilnehmer mit Bussen auf Polizeistationen gebracht. Ihr Vergehen: Unruhestiftung. Beobachter in Teheran rechneten gestern jedoch damit, daß die Protestierer am Abend wieder freigelassen würden. Schließlich könne man niemanden inhaftieren, weil er für den eigenen Präsidenten demonstriert.

Hintergrund der Proteste ist die Verhaftung des Teheraner Bürgermeisters Gholam Hossein Karbaschi am 4. April. Irans Justiz wirft ihm Veruntreuung von Geldern vor. Seine Anhänger behaupten dagegen, Karbaschi sei Opfer des Machtkampfes zwischen dem moderaten Präsidenten Mohammad Chatami und konservativen Theokraten um den Religiösen Führer, Ali Chamenei. Karbaschi ist ein Vertrauter des Präsidenten, die Justiz in konservativer Hand.

Zu der gestrigen Demonstration hatten Studentengruppen aufgerufen, und Innenminister Abdollah Nuri hatte sie auch genehmigt. Der Minister kündigte gar an, ein „Unterstützungsbüro“ für Karbaschi einrichten zu wollen. Von konservativer Seite war ihm daraufhin Amtsmißbrauch vorgeworfen worden. Angesichts des sich zuspitzenden Konflikts hatte Präsident Chatami am Montag an die Studenten appelliert, vorläufig von der Demonstration abzusehen. Bei einem Treffen am Montag abend entschieden sich einige der Organisationen widerwillig, der Bitte Folge zu leisten.

Die gestern an mehreren Orten im Bereich der Uni auf die Straße gegangenen IranerInnen wollten diesen Kompromiß nicht eingehen. Auch Chatamis Gegner waren nicht kompromißbereit. Per Megaphon teilten Polizisten den Demonstraten mit: „Brüder und Schwestern, eure Demonstration ist illegal. Bitte stoppt sie, sonst müssen wir euch festnehmen.“ Dann taten sie, wie von ihren konservativen Dienstherren geheißen. Thomas Dreger

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