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■ VorschlagDie Träume des Fahrrad-Kuriers: „Tempo“, kein Film für Autofahrer

Jojo (Xaver Hutter) ist immer in Bewegung, im eigentlichen wie im übertragenen Sinn. Denn der gerade noch minderjährige Österreicher, von zu Hause ausgebüchst, um in Wien das richtige Leben und einen Hauch der großen weiten Welt kennenzulernen, strampelt sich durch die Stadt als Bote zu Rad. Kein wirklicher schöner Job – man wird geknechtet von der taffen Chefin, architektonischen Katastrophen ausgesetzt (Alptraum Altbau- Treppenhaus!), bedrängt von der urbanen Blechlawine, und mit den Ortskenntnissen ist es halt auch noch nicht so weit her. Andererseits sollen körperliche Bewegung und frische Luft für junge Leute ja ganz gesund sein, und der Job gibt Jojo genügend Gelegenheit für ausgiebige Träumereien. Da erkennt er in dem zu überbringenden Videoband schon mal einen Erpressungsversuch („Mein erstes Enkelkind!“ freut sich Frau Stadtrat später), und nach einem geglückten Botengang sieht er sich schon in einer Arabellaschen TV-Talk- Show als „Fahrradbote of the year“.

Als Jojo dann den Auftrag ergattert, für den irgendwie coolen Geschäftsmann Bernd (Dani Levy) ein klassisches Amour-Set – Brief plus roter Rose – zu transportieren, gerät eben auch das wirkliche Leben des radfahrenden Tagträumers in Bewegung. Kein Wunder, daß er sich in die entrückte Empfängerin Clarissa (kleine Rolle, große Klasse: Nicolette Krebitz) verknallt, die im Vorort lebt, gut bewacht vom Hausdrachen. Unpraktisch, daß er sich gleichzeitig mit dem lässigen Bernd – mit Assistentin, fettem Cabrio, kleinkriminellen Neigungen, hippen Freunden und cooler Attitüde – anfreundet. Mindestens ein kleiner Konflikt ist da programmiert, doch das ist nichts gegen die Erkenntnisse, die auf Jojo warten. Nein, das Leben ist viel härter und rücksichtsloser als jeder noch so blutrote Tagtraum und, ja, selten ist etwas so, wie es scheint.

„Tempo“, der 1997 Max-Ophüls-prämierte Film von Stefan Ruzowitzky, ist ein großer Spaß mit Bodenhaftung, ein seltener Glücksfall in der klischeeüberladenen Einöde der deutschsprachigen Komödien. Mit leichter Hand inszeniert, kann es sich „Tempo“ erlauben, von unterhaltsamen Momenten drei Gänge hochzuschalten zum jugendlichen Alltag zwischen Geldnot, Techno, Drogen und Behördenwillkür. Der berüchtigte „Ernst des Lebens“ wird hier nicht bleiern über die Geschichte gelegt, und auch für die Dialoge hat Ruzowitzky das richtige Ohr. „Autofahrer!“ ist in „Tempo“ die größte denkbare Beleidigung; und wie könnte man eine zarte Liebe ekliger und treffender beenden als mit den Worten „Deine Küsse schmecken widerlich – wie kalte Pommes frites“? Thomas Klein

Im Central 2, Cult fiction und Eiszeit, Termine siehe cinema-taz

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