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■ Wolf Wondratschek veröffentlicht seine LiebesbriefeDer Meister der Aufschneiderei

Wolf Wondratschek hält sich für einen großen Schriftsteller, weil es aber noch nicht alle mitbekommen haben oder es vielleicht auch einfach nicht glauben können, wenn sie mal eine Zeile von ihm gelesen haben, rempelt der Mann jeden an und posaunt: Ey, ich bin wichtig, ich bin Schriftsteller, und ich bin große Klasse. Normalerweise wendet man sich dann peinlich berührt von Mr. Prahlhans ab und überläßt ihn seinem Größenwahn. Aber wie das bei solchen Schriftstellern eben so ist, die mit einem derartigen dumpfen Selbstbewußtsein ausgestattet sind, hilft diese großzügige Geste gar nichts. Denn Wondratschek läßt nicht locker, bis er den Redakteur so mürbe gemacht hat, daß der das Gekäse dann doch druckt. Was immer der Redakteur der Süddeutschen Zeitung sich dabei gedacht haben mag, als er den Artikel mit dem Titel „Liebesbriefe“ ins Blatt setzte, es sah aus wie heimliche Rache, um Wolf Wondratschek zu blamieren, falls das überhaupt geht.

In der Rubrik „Verblaßte Mythen“ erzählt Wondratschek, wie er sich mit seinen „Freunden“, die aber eigentlich langweilige Arschlöcher sind, abends beim „Italiener“ trifft, um sich kräftig anzuöden. „Bei unseren Gesprächen geht es (...) um so gut wie nichts“, schreibt er, gnadenlos ehrlich. Da ist nichts dagegen einzuwenden, jeder hat eben sein Hobby. Dabei läßt es Wondratschek aber nicht bewenden, denn er muß dem Leser ja noch mitteilen, daß seine „Freunde“ ziemlich wichtig sind, so wie Wondratschek eben. Der eine ist Filmregisseur, der andere Filmproduzent, der dritte Drehbuchautor. „Der Filmproduzent hat (...) Millionenbeträge organisiert, der Filmregisseur Verträge fürs nächste Jahrtausend unterschrieben. Sie sind schwer im Geschäft“, während der „Dichter“, wie sich Wondratschek von seinen „Freunden“ gerne nennen läßt, „auf Erfolg scheißt, auch auf Geld, auf jede Art von Quote“. Wenn einer aber glaubt, derart kraftmeierisch darauf hinweisen zu müssen, daß ihm der Erfolg seiner langweiligen und geldgeilen Geschäftemacherfreunde so was am Arsch vorbeigeht, dann kann man sicher sein, daß er in Wirklichkeit vor Neid schon ganz grün im Gesicht ist, ganz abgesehen davon, daß es nicht sehr appetitlich ist, wenn einer seine „Freunde“ als Trottel outet.

Also führt er seine „Freunde“ vor. Daß er sich damit nur selbst vorführt, käme Wondratschek nie in den Sinn, selbst wenn man ihn darauf aufmerksam machte, denn Wondratschek besitzt ein schlichtes Gemüt, das noch die platteste Angeberei für große Literatur hält. Eines Abends offenbart er also seinen wichtigen „Freunden“ und damit natürlich auch den Lesern der Süddeutschen Zeitung, daß demnächst die „Briefe“ an seine Geliebte als Buch erscheinen werden. „Es ist nicht einfach zu schildern, was plötzlich geschah. Es geschah auch gar nicht plötzlich, aber alle schauten mich an. Vor allem die Frauen. In ihren Augen lag der Glanz einer unbestimmten Sehnsucht, der so ausdrucksvoll war, daß ich mich zurücklehnen mußte. Meine Bemerkung hatte Wirkung hinterlassen, das hörte ich an der Stille, die nicht nur an unserem Tisch, sondern im ganzen Lokal zu herrschen schien.“ Und weiter: „Meine Freunde mochten ihre irdischen Talente verfluchen, die sie zwar erfolgreich gemacht hatten, aber zu einem Preis, der sie schaudern läßt.“

Was uns der faustdick aufschneidende Dichter damit sagen will, ist nicht schwer zu erraten. Geld allein macht auch nicht glücklich. Das ist zwar gelogen, aber irgendwie paßt es auch wieder ganz gut, daß ein Autor, für den die Literatur zum Mittel geworden ist, sich selbst unablässig in den höchsten Tönen zu preisen, letztlich nichts anderes zustande bringt als solche verranzten Blümchentapetenweisheiten. Klaus Bittermann

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