Das Portrait: Meister des gelebten Slapstick
■ Philip Roth
Mit hemdsärmeliger Freimütigkeit hat der New Yorker Schriftsteller Philip Roth seinen Romanhelden Alexander Portnoy einmal über sich sagen lassen, er sei „der Raskolnikow des Wichsens“. Das manische Bearbeiten des eigenen Geschlechts, das vergrübelte Zwangsgenießen, die Melancholie des immer nur vorgestellten Vergnügens hat der 1933 geborene Roth durch nunmehr zwanzig Romane hindurch verfolgt. Der gelebte Slapstick aller seiner Figuren ist der mit wütendem Ingrimm wieder und wieder inszenierte Versuch, den Sex von der Moral zu befreien. Es war die Moral der frisch assimilierten amerikanischen Juden, deren Maximen wohl die aller Gründerpopulationen waren: Laß nichts auf die Deinen kommen, vermeide die Auffälligkeit, vermehre dich im Stillen.
Viele dieser Frischassimilierten waren über Roths Geschichten vom Gegenleben nicht amüsiert. Als er dann auch noch in seiner Trilogie „Zuckerman Bound“ Anne Frank als Femme fatale wiederauferstehen ließ und die Funktionalisierung der Erinnerung an den Holocaust als „Ersatzidentität“ vorführte, da gab es in der New Yorker Literaturszene einen Skandal. Stars der New Yorker Intelligenzija wie Irving Howe oder Norman Podhoretz warfen ihm vor, von jüdischen Selbsthaß geplagt zu sein, den Holocaust zu verleugnen oder jedenfalls nicht ernst genug zu nehmen. Roth aber, dessen Meisterstück die „Tirade“ ist, wehrte sich von da an mit immer neuen, raffinierteren Versteckspielen des Autors vor, hinter und neben seinen Figuren. Roths kompliziertester Roman, „Operation Shylock“ (1994), trägt den Untertitel „Eine Beichte“ und enthält mehrere haarsträubende Konfrontationen des Autors Philip Roth mit einem Philip- Roth-Darsteller, der in Israel für sein Programm des „Diasporismus“ die Trommel rührt, der die Juden zurück nach Europa führen soll, weil sie im Nahen Osten ihres Lebens nicht mehr sicher sind...
Nun hat er zum großen Wurf eines enzyklopädischen amerikanischen Romans angesetzt. „American Pastoral“ ist eine Familienchronik, gegen die die „Buddenbrooks“ eine Success-Story sind. Der ursprünglich vielversprechende Start der Levovs in Newark wird in den Sechzigern jäh durch eine Tochter namens Merry unterbrochen, die sich keinen anderen Rat weiß, als Bomben zu werfen. Mariam Lau
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