: Bürgermeister von Teheran frei
■ Haftentlassung nach Studentenprotesten
Berlin (taz) – Irans konservative Theokraten haben sich dem Druck der Straße gebeugt. Gestern setzten Wärter des berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnisses Gholam Hossein Karbaschi, den Bürgermeister der Stadt, nach elf Tagen Haft vor die Tür. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna. Die Freilassung soll auf Anweisung von Ali Chamenei erfolgt sein, dem Religiösen Führer Irans.
Am Vortag hatten an der Teheraner Universität Tausende StudentInnen gegen die Verhaftung des Stadtoberhaupts und für den mit ihm befreundeten Präsidenten Mohammad Chatami protestiert. Die Demonstranten ließen sich auch nicht von einem Appell Chatamis abhalten, die Veranstaltung aus Sorge vor einer weiteren Eskalation abzusagen. Obwohl Innenminister Abdollah Nuri die Demonstration genehmigt hatte, betrachtete die Polizeiführung den Aufmarsch als illegal und ließ mehrere hundert Menschen verhaften.
Zu den Demonstranten gehörte auch Faiseh Haschemi, die Tochter des früheren Präsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani. Als sie eine Rede halten wollte, wurde sie von Karbaschi-Gegnern unterbrochen, die skandierten: „Der Plünderer öffentlichen Eigentums gehört hingerichtet.“
Dem Bürgermeister wird Hinterziehung öffentlicher Gelder und „schlechte Amtsführung“ vorgeworfen. Seine Freilassung soll nach Zahlung einer hohen Kaution erfolgt sein. Vor der iranischen Justizbehörde heißt es, Karbaschi werde innerhalb von zwei Wochen öffentlich der Prozeß gemacht.
Karbaschis Anhänger sehen in den Anschuldigungen einen Angriff gegen den eher moderaten Präsidenten Chatami. Karbaschi hatte dessen Wahlkampf organisiert. Damals waren Vorwürfe laut geworden, Chatami nutze städtische Gebäude für Wahlkampfzwecke. Auch die angebliche Unterschlagung soll damit zu tun haben.
In jedem Fall hatte Karbaschis Kampagne Erfolg. Im vergangenen Mai gewann überraschend der Außenseiter Chatami die Präsidentschaftswahlen. Seine konservativen Gegner hatten ihre eigene Unbeliebtheit bei der Bevölkerung maßlos unterschätzt. Mit der Verhaftung Karbaschis machten sie den Fehler ein zweites Mal.
Aber auch Chatami hat seine Anhängerschaft nicht mehr unter Kontrolle. Die Demonstranten versammelten sich am Dienstag trotz seiner ausdrücklichen Bitte, dies nicht zu tun. Ihnen gehen die von dem Präsidenten im Wahlkampf angekündigten Reformen viel zu schleppend voran – und vielleicht auch nicht weit genug. Thomas Dreger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen