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■ Unzumutbare „Verschattung“: Kiez-Makler kämpft gegen Neubauten auf St. Pauli
Kaum daß sich für die jahrelang umkämpften Häuser an der Hafenstraße eine genossenschaftliche Lösung fand, bahnt sich nun neuer Ärger in St. Pauli an. Der Besitzer des Erotic Art Museums, Claus Becker, fühlt sich durch die vis a vis geplanten Neubauten an der Bernhard-Nocht-Straße gestört. Deshalb hat der Immobilienbesitzer, der zu den größten Hamburgs zählt, gleich zwei Rechtsverfahren gegen die Stadt angestrengt, um die seit April 1994 laufenden Bautätigkeiten der Hafenrand GmbH stoppen zu lassen. Dies bestätigte gestern der Sprecher der Hamburger Verwaltungsgerichte, Joachim Pradel, auf Anfrage der taz.
Die stadteigene Verwaltungsgesellschaft will auf dem Gelände insgesamt 63 öffentlich geförderte Wohnungen in fünfgeschossiger Bauweise errichten. Zusätzlich sind ein Kindertagesheim und 350 Quadratmeter Gewerbefläche vorgesehen. Becker, der einen Großteil der gegenüberliegenden Häuserzeile besitzt und auch sonst auf St. Pauli kräftig aufkauft, befürchtet eine unzumutbare „Verschattung“. Vor allem ärgert den Immobilienmogul, daß der aus dem Jahre 1986 stammende Bebauungsplan „St. Pauli 35“ in diesem Frühjahr gegen seinen Willen geändert wurde: Senat und Bürgerschaft hatten der Aufstockung um ein Geschoß auf nunmehr fünf zugestimmt.
Das will der Mann, der sich auch schon in die SPD-Ortsgruppe St. Pauli einklagen wollte, nicht akzeptieren. Beim Verwaltungsgericht Hamburg (VG) hat er deshalb vor einer Woche die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die vom Bezirksamt Mitte erteilte Baugenehmigung beantragt. Becker will, daß die Bauarbeiten so lange unterbrochen werden, bis das VG über die Sache inhaltlich entschieden hat.
Damit nicht genug. Seit 29. Juni hat er – doppelt hält besser – ein Normenkontrollverfahren beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht (OVG) laufen, um eine einstweilige Anordnung gegen den Vollzug des geänderten Bebauungplans zu erwirken. Der soll noch einmal – nun von Juristen – auf seine Rechtmäßigkeit abgeklopft werden. Beide Verfahren laufen noch, gerade werden Bezirksamt und Stadtentwicklungsbehörde (Steb), die zusammen geplant hatten, zur Stellungnahme aufgefordert. „Wann entschieden wird, können wir jetzt noch nicht sagen“, erklärte Pradel.
Da ist Peter Illies schon weiter. „In spätestens einem dreiviertel Jahr sind die Neubauten fertig“, weiß der Leiter der Stadtplanungsabteilung im Bezirksamt Mitte. Davon geht auch Bernd Meyer aus. „Die Verschattung ist nicht außergewöhnlich hoch, außerdem wird die Traufhöhe der Nachbarhäuser nicht überschritten“, ist sich der Steb-Sprecher sicher, daß Becker mit seinen Verfahren nicht durchkommt.
In eigener Sache läßt Becker, der erst heute aus dem Urlaub zurücckehrt, gerne einmal alle fünf Geschosse gerade sein. Erst vor kurzem hat er für eines seiner Häuser an der Bernhard-Nocht-Straße eine Befreiung vom Bebauungsplan beantragt. Vier Etagen sind ihm dort zu wenig – er will halt hoch hinaus.
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