„Polarisierung paßt in mein Denken nicht“

■ ÖVP-Generalsekretär Otmar Karas über die Große Koalition und das Verhältnis zu Jörg Haider

taz: Klestil ist nicht mehr alleiniger Kandidat der ÖVP. Er wird jetzt auch von Teilen der SPÖ und von der FPÖ unterstützt. Beunruhigt es Sie, daß Sie mit Haider in einem Boot sitzen?

Otmar Karas: Es gibt zum ersten mal vier von fünf Parlamentsparteien, die keinen eigenen Kandidaten aufstellen. Die einzigen, die eine Kandidatin aufstellen, sind die Liberalen. Der amtierende Bundespräsident hat Zustimmung aus allen politischen Lagern und Bevölkerungsgruppen eine. Und trotz der fünf Kandidaten wird er im ersten Wahlgang am Sonntag mit mindestens 60 Prozent gewählt. Das auf Parteien zu reduzieren, halte ich der Grundstimmung und der Realität nicht entsprechend. Er ist nicht der Kandidat der ÖVP, nicht der FPÖ.

Klestil hat gesagt, er habe keine Probleme, Jörg Haider als Bundeskanzler zu vereidigen, und einer schwarz-blauen Koalition würde er sich nicht verweigern. Wird mit solchen Varianten gespielt?

Dr. Klestil ist Demokrat und wartet Wahlergebnisse ab. Er hat sehr deutlich gesagt, daß er vereidigen wird, wer im Inland wie im Ausland die Aufgabe Österreichs am besten erfüllt. Er ist keine Person, die ausgrenzt. Diese demokratische Grundhaltung teile ich.

Gibt es in der ÖVP Überlegungen für einen Partnerwechsel?

Derzeit nicht. Wir haben mit der SPÖ eine Koalition und werden die bis zum letzten Tag so erfolgreich wie möglich gestalten. Wir werden in die nächste Wahl gehen, um stärker zu werden, nicht mit Koalitionsspielereien.

Trotzdem hat man in letzter Zeit den Eindruck gehabt, die Kolation pfeife auf den letzten Löchern. In der Frage des Nato-Beitritts und der Verschärfung des Waffengesetzes sind die Fronten doch ziemlich verhärtet.

Wir sind zwei unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Positionen. In der Regierung geht es darum, das Gemeinsame zu suchen und Lösungen anzubieten.

Welches Ungemach würde über Österreich hereinbrechen, wenn Frau Knoll oder Frau Schmidt in die Hofburg einzöge?

Überhaupt keines. Diese Art der Polarisierung paßt in mein Denken nicht. Wenn die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher sie wählt, werde ich das akzeptieren. Meine Stimme hat Dr.Klestil. Interview: Ralf Leonhard