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Biblisches Jäten

■ Dom-Prediger legt Bibelgarten an / Gemeindemitglieder sollen hegen und pflegen

ein, die Ganya-Staude von Haile Selassie wird auch auf Wunsch unseres geschätzten Autors Ulrich „Grobi“Reineking, genannt Urdrü, nicht angeboten. Ob Luthers Apfelbäumchen gepflanzt wird in Domprediger Henner Flüggers Bibelgarten, steht dagegen noch nicht fest. Der Baum der biblischen Erbsünde hat noch gute Chancen, auf Wunsch der fleißigen Menschen „mit dem sprichwörtlichen grünen Daumen“, so Flügger, ins Repertoire aufgenommen zu werden. Das ist das Ergebnis eines ersten Treffens der HobbygärtnerInnen im Dom-Gemeindehaus, die das Projekt Bibelgarten hegen und pflegen sollen und wollen.

Das kirchliche Öko-Anliegen soll im Glockengarten, der ruhigen Oase mit altertümlichen Grabplatten in unserer pulsierenden Metropole zwischen Dom und der Glocke entstehen. Ab der kommenden Woche soll dort alles grünen und blühen, was in der Bibel Erwähnung findet, ursprünglich in der Heimat Jesu beheimatet war oder seinen Namen einer biblischen Person verdankt. Später wird es dann auch einen kleinen Führer geben, der dortselbst jene Bezüge erläutert.

So wird sich etwa die Hundskamille im Bibelgarten widerfinden. Sie taucht als Bild der Vergänglichkeit im Buch Jesaja auf. Die nicht winterfeste Feige wird in einem nichtneutestamentarischen Kübel zum Reinstellen vorkommen. Rizinus, sonst eher als Abführmittel verschrien, verdankt seine Aufnahme in den Bibelgarten dadurch, daß sich der Prophet Jona nach seinem Walfischtrip schmollend unter einen entsprechenden Baum bei Ninive gesetzt hat. Auch Malve, Ysop und Safrankrokus sollten dem bibelfesten Menschen aus dem Buch Hiob, der Passionsgeschichte respektive dem Hohelied Salomon bekannt sein.

Ganz hoch hinaus gehen die Pläne zur Jakobsleiter. Ist das Gewächs doch bekannt durch die Tagträume des Namensvetters, der sich eine Leiter in den Himmel zu den Engeln ersehnte. Durchmischt wird das Ensemble mit Weinstöcken, die selbstredend nicht fehlen dürfen. Zum Abschluß wird dann auch noch Lavendel gepflanzt, mit dem der Körper Jesu einst gesalbt wurde, was der Salbenden erheblichen Ärger mit den Jüngern einbrachte, die die Ölung des Sohnes Gottes als Verschwendung betitelten. Resultat: Abfuhr durch den Gesalbten höchstselbst.

Entsprungen ist die Idee einem eher morbiden Vorläufer in Kiel. Dort hatten sich Friedhofsgärtner gefragt, wie man dem Sterbezahlenrückgang Rechnung tragen kann. Ergo legten sie einen Bibelgarten auf dem halbleeren Gottesacker an. Davon ist derzeit aber wohl nicht mehr allzuviel zu sehen, weil sich der Bibelgartenseelsorger in Kiel jetzt in den Ruhestand verabschiedet. Ein gärtnernder Nachfolger wird noch gesucht. Da war Domprediger Henner Flügger intelligenter. Er läßt interessierte Gläubige harken, wässern, düngen und jäten.

Gleich sechs landschaftsbegeisterte „grüne Daumen“trafen sich jetzt zu einem ersten Vorgespräch und waren recht zufrieden mit der Idee. Nur daß kein Apfelbäumchen vorgesehen war, stieß auf allgemeines Mißfallen, wurde gar vehement eingefordert. Lange Gesichter gab's auch bei der Flüggerschen Ankündigung, daß die erste Aussaat durch einen Profi vollbracht wird. Hat der Domprediger doch bereits einen hauptberuflichen Gärtner engagiert, der die Erstpflanzungen vornehmen wird. Nur bei der schnöden Pflege und dem ungeliebten Unkrautjäten dürfen seine Hobbyschäfchen mitmischen. Selbst die landschaftsarchitektonische Raumordnung steht fest. Eine echte Landschaftsarchitektin konnte der Prediger auftreiben, die umsonst den Bibelgarten zu Papier brachte – als Gegenleistung zu Flüggers Diensten bei ihrer Trauung. Auch die Finanzierung für die übrigen Projektinhalte ist bereits geklärt. Spenden, eine Kollekte und die Kirchensteuer machen's möglich.

Jens Tittmann

P.S.: Wer einen grünen Daumen hat, kann sich noch zum Unkrautjäten bei Prediger Flügger melden. Tel.: 491 96 99.

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