: Höppner gegen DVU
■ Rechte liegen in Umfragen vor der Wahl im Land Sachsen-Anhalt bei über 5 Prozent
Berlin (taz) – Die rechtsextremistische Deutsche Volksunion ist vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im demoskopischen Aufwind. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die vom Fernsehsender Pro 7 in Auftrag gegeben wurde, erwartet für die DVU 6 Prozent der Wählerstimmen. Die Fehlerquote wurde mit plus/minus 3 Prozent angegeben.
In einer Erhebung des Instituts Polis für Focus erhielt die DVU zusammen mit den „Republikanern“ 6 Prozent. In der Gruppe der 18- bis 24jährigen wird den Rechten von den Meinungsforschern ein „beachtliches Sympathiepotential von etwa 15 Prozent“ bescheinigt. In einem in der vergangenen Woche veröffentlichten „Stimmungstest“ war die DVU erstmals aufgetaucht und lag bei 5 Prozent.
Die beiden aktuellen Untersuchungen sehen die SPD unter Ministerpräsident Reinhard Höppner über 40 Prozent. Die CDU kommt eine Woche vor der Wahl auf 22 beziehungsweise 24 Prozent, die PDS erreicht bei Forsa 19, bei Polis 20 Prozent. Die Bündnisgrünen werden bei 3 und 5 Prozent verortet. Übereinstimmend liegt die FDP bei 4 Prozent und käme damit wieder nicht in den Magdeburger Landtag.
Als Reaktion auf die steigenden Umfragewerte der DVU hat Ministerpräsident Höppner die Gründung eines überparteilichen „Bündnisses gegen Rechts“ angeregt. Die Entwicklung sei „sehr ernst“, jetzt müßten „wirklich alle neu überlegen“. Sachsen-Anhalts Umweltministerin und stellvertretende Regierungschefin Heidrun Heidecke hielt einen Einzug der Rechten für eine „Katastrophe für die junge Demokratie im Osten“. In Halle rief eine „Initiative Zivilcourage“ die Bürger zum Widerstand gegen die „aggressive und massive“ Wahlwerbung der DVU auf. Mit seinem Appell traf Höppner bei den Spitzenkandidaten von CDU, PDS, Grünen und FDP auf Zustimmung. Bei einer Radio-Diskussion warnten alle einhellig vor dem Einzug der DVU in den Landtag.
Konkrete Pläne für eine gemeinsame Erklärung der „demokratischen Parteien“ hat Höppner nach Aussagen seines Regierungssprechers Hans Jürgen Fink noch nicht. Seine Äußerung sei eine Aufforderung an die Wähler gewesen, „genau hinzuschauen, was sich hinter der DVU verbirgt“, die Ideologie hinter den Forderungen der Partei zu erkennen. Über weitere Schritte solle heute entschieden werden.
Die DVU investiert nach Schätzungen des Landesverfassungsschutzes etwa 3 Millionen Mark in ihren Wahlkampf, mehr als alle anderen Parteien. Im ganzen Land wurden rund 20.000 Plakate geklebt. Hunderttausende Postwurfsendungen wurden verteilt, Wähler unter 30 Jahren und über 60 erhielten persönlich adressierte Briefe mit Wahlkampfmaterial. Gezielt umwirbt die DVU Protestwähler und sozial Benachteiligte. Sie fordert unter anderem, daß „deutsches Geld“ in Sachsen-Anhalt zuerst für „deutsche Aufgaben“ ausgegeben wird. Nach Übergriffen auf Wahlkämpfer der DVU hatte die Partei in der vergangenen Woche vom sachsen-anhaltischen Innenminister Püchel Polizeischutz gefordert. Vorsitzender Gerhard Frey kündigte an, das Wahlergebnis anzufechten, weil sie im Wahlkampf behindert worden sei. Mit einer Kampagne wie in Sachsen-Anhalt hatte die Partei des Münchner Verlegers Frey bei den Wahlen in Hamburg im September 1997 4,9 Prozent erreicht.
Ein Einzug der DVU in den Landtag könnte Pläne der SPD zunichte machen, eine Minderheitsregierung zu bilden und sich ihre Mehrheiten jeweils im Landtag zu suchen. Bei geheimen Abstimmungen könnte dann der Vorwurf erhoben werden, die entscheidenden Stimmen seien von den Rechtsextremisten gekommen. Toralf Staud
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