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Grüne: Augen auf und durch

■ Mit einem Kurzprogramm wollen die Grünen in den Wahlkampf gehen. „Raus aus der Öko-Ecke“ lautet die Devise. Soziale Forderungen stehen im Vordergrund. Benzinpreis soll steigen, aber ohne Erwähnung der fünf Mark

Berlin (taz) – Nach dem furiosen Parteitag der SPD tröstet sich CDU-Chef Helmut Kohl: „Ein Wahlkampf ist ein Marathonlauf. Es kommt nicht darauf an, wer auf den ersten Metern vorn liegt, sondern wer am Schluß gewinnt.“ Seit gestern können die Grünen – im Gegensatz zur konservativen Konkurrenz – darauf verweisen, daß ihr Spitzenmann schon mal einem Marathonlauf bestanden hat. In drei Stunden und einundvierzig Minuten absolvierte Joschka Fischer in Hamburg die Strecke, während die Spitze seiner Partei sich in Berlin um einen ähnlich erfolgreichen Wahlkampf bemühte. Auch ohne Fischers Vorbild war sich die Vorstandssprecherin Gunda Röstel sicher: „Wir kommen ins Ziel.“ Daran waren seit dem Magdeburger Parteitag Zweifel laut geworden. Denn von den über fünfzig Seiten Wahlprogramm, die damals beschlossen wurden, war vor allem nur der Satz ins öffentliche Bewußtsein gedrungen, daß der Benzinpreis in zehn Jahren auf fünf Mark klettern soll. Das soll nun anders werden. Um den öffentlichen Blickwinkel zu weiten, haben die Grünen am Wochenende ihre Wahlaussagen auf ein Kurzprogramm reduziert. Das Soziale soll stärker in den Vordergrund gerückt werden. Man wolle sich nicht, so Vorstandssprecher Jürgen Trittin, „in die Öko-Ecke drängen lassen“. Die ökologischen Probleme seien nur im Kontext sozialer Gerechtigkeit zu lösen.

Nun will man stärker die Forderung nach Entlastung unterer und mittlerer Einkommen sowie eines Kindergeldes von 300 Mark in den Vordergrund rücken. Allerdings hält man auch weiterhin an der ökologischen Steuerreform fest. Doch auch hier werden mehr die entlastenden und weniger die belastenden Momente betont. Das Kurzprogramm, das der Bundesvorstand gestern mit den Spitzen der Landesverbände diskutierte, soll im Juni auf einem Länderrat verabschiedet werden. Eine Revision der Forderung nach fünf Mark für den Liter Benzin wird es nicht geben, dazu wäre ein Sonderparteitag erforderlich. Allerdings soll die Position nur noch in einer abgespeckten Variante, die lediglich für die kommende Legislaturperiode gilt, ins Programm aufgenommen werden. Strittig ist noch, ob dabei konkrete Zahlen genannt werden.

Mit dieser Konzentrierung des Programms hoffen die Grünen aus ihrem Stimmungstief zu kommen. Im bundesweiten Wählerzuspruch liegen sie gerade mal bei acht Prozent; in Sachsen-Anhalt sprechen sich nur vier Prozent für die Partei aus. Um dieses Ergebnis bis zur Wahl am kommenden Sonntag zu verbessern, soll jetzt eine Wählerinitiative gestartet werden, die für Rot-Grün in Magdeburg wirbt. Allerdings sind die Aussichten schlechter geworden, seit sich die Möglichkeit abzeichnet, daß die rechtsradikale DVU in den Landtag einzieht. Ministerpräsident Höppner hat deshalb ein Bündnis gegen Rechts gefordert.

Die Grünen halten davon nicht viel, trage ein solches Bündnis doch dazu bei, die DVU populärer zu machen. Sie sehen im Werben für Rot-Grün die klarere Antwort auf die rechtsextreme Gruppierung. Bundesvorstandssprecherin Gunda Röstel warnte deshalb die SPD vor einer Selbstüberschätzung. Zwar wird bei den Grünen über eine Zweitstimmenkampagne sowohl in Sachsen-Anhalt als auch bei der Bundestagswahl geredet, zu einer öffentlichen Position wollten das jedoch weder Trittin noch Röstel erheben. Dieter Rulff

Bericht Seite 6, Kommentar Seite 12

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