: Inseln im Zug
„Mich treibt die Sehnsucht“: Im Altonaer Bahnhof sind zur Zeit die Kanaren auf Gleis 12 ■ Von Martin Pfitzner
Meeresrauschen auf Gleis 12. Gitarrenspiel und sehnsüchtiger Gesang mischen sich mit den Bahnhofsgeräuschen. Exotisch-liebliche Klänge, die eigentlich auf die Kanaren gehören. Die Inselgruppe, die im Atlas vor der nordwestafrikanischen Küste zu finden ist, hat sich für zwei Tage im Alto-naer Bahnhof niedergelassen – und zwar in einem 150 Meter langen multimedialen „Showtrain“, der HamburgerInnen ihren nächsten Urlaub auf Gomera oder Teneriffa schmackhaft machen soll.
Angelockt wurden gestern von der multimedialen Ausstellung vor allem Frauen und Männer im RentnerInnenalter. „Ich fliege im November zum ersten Mal auf die Kanaren“, schwärmte etwa ein 60jähriger. „Einmal im Leben muß man die Inseln ja gesehen haben.“Immerhin seien all seine Bekannten schon einmal dort gewesen.
Im Zug stürzt die Vielfalt der kanarischen Landschaften auf ihn ein. Unzählige Bildschirme präsentieren Aufnahmen von traumhaften Stränden und Steilküsten, von bizarren Bergen, Vulkanlandschaften und subtropischen Pflanzen. Tosende Brandungswellen betäuben die Sinne. Dekoriert sind die PCs mit Felsbrocken aus Pappmaché oder künstlichen Palmen. Unter den Füßen gluckert es wässrig, Sandstrand wurde improvisiert, ein Stück weiter umhüllt plötzlich Dunkelheit den Besucher – hier befindet er sich auf dem Meeresboden und darf die medial aufbereitete Unterwasserwelt der Kanaren bewundern. Dazu gehören natürlich sphärische Klänge.
„Deutschland ist für unseren Tourismus am wichtigsten“, erklärt Ana Rodriguez vom Tourismusministerium der Kanaren. In den letzten Jahren sei die Zahl der BesucherInnen jedoch ein wenig zurückgegangen. Daher versuche die kanarische Regierung nun, den Tourismus wieder stärker zu beleben – etwa mit Hilfe von Werbe-Zügen. Einer braungebrannten 40jährigen imponiert das gar nicht. Sie ist gerade von ihrem achten Kanaren-Urlaub zurückgekehrt. Was lockte sie in den Altonaer Bahnhof? „Mich treibt eben die Sehnsucht“, bekennt die Touristin freimütig.
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