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Ohne Ballast auf dem Weg zur Exzellenz

■ Unis im Umbruch (Folge 2): An der Technischen Universität bleibt unter dem Präsidenten Ewers kein Stein auf dem anderen. Einen ersten Dämpfer hat er schon erhalten - mit der Abwicklung der Lehrerausb

Die Zeichnungen im Büro von Hans-Jürgen Ewers zeigen das alte Hauptgebäude der Technischen Hochschule Charlottenburg. Der im Krieg beschädigte Bau selbst ist seit den 70er Jahren von der Straße des 17. Juni aus nicht mehr zu sehen. Die Hochschulreformer stellten unmittelbar vor die Fassade ein Hochhaus, um das rasante Wachstum der Studierendenzahlen bewältigen zu können. Doch heute gelten Massenausbildung und ausgedehnter Fächerkanon dem Präsidenten der Technischen Universität (TU) als abbruchreif. Die vergilbten Pläne über seinem Schreibtisch dienen Ewers, so meinen zumindest seine Kritiker, als Modell: Dorthin, zur Technischen Hochschule alten Stils, wolle der Präsident zurück.

Von sich selbst sagt der Wirtschaftswissenschaftler, er sei bei seiner Wahl ins Präsidentenamt vor etwas mehr als einem Jahr „angetreten, um aus dieser Universität eine erstklassige Hochschule zu machen“. Eine Universität könne sich nicht in erster Linie über die Ausbildung, sondern nur über das „Forschungsprofil“ definieren. Die TU müsse ihre Ressourcen daher auf fünf bis sieben Forschungsschwerpunkte mit weltweitem „Oberliga-Anspruch“ konzentrieren. Die übrigen Bereiche will Ewers „ausdünnen“, das erzwungene Schrumpfen von 540 auf 320 Professorenstellen nutzen, um „Ballast abzuwerfen“. Nur so könne die TU nicht nur an Quantität, sondern auch an Qualität die Konkurrentinnen in Aachen und München überholen.

Auch den Gegnern des Präsidenten bereitet es bisweilen ästhetischen Genuß, mit welcher Gradlinigkeit der schlaksige Ökonom seine Vision von wissenschaftlicher Exzellenz und wirtschaftlicher Effizienz verkündet. Die Studentenproteste des Wintersemesters, der erbitterte Widerstand der linken Reformfraktion im Akademischen Senat gegen die konservativ-liberale Präsidialmehrheit von einer Stimme – all das motivierte Ewers nur dazu, seine als „neoliberal“ gegeißelten Positionen mit um so größerer Freude zu vertreten. Sein Zynismus erzürnt vor allem die Studentenvertreter. Melden sie sich mit einem Geschäftsordnungsantrag zu Wort, wirft Sitzungsleiter Ewers schon mal einen spitzbübischen Blick über seine Lesebrille und fragt, ob sie denn überhaupt wüßten, was ein Geschäftsordnungsantrag sei.

Der Konflikt konzentrierte sich alsbald auf die von Ewers geplante Abwicklung der Lehrerausbildung. Auch die anderen Berliner Universitäten kürzten die Lehramtsstudiengänge stärker als andere Bereiche. Im Konkurrenzkampf der Hochschulen versprachen sie zuwenig Prestige. „Der Lehrer als solcher ist unbeliebt“, klagt Ulf Preuss-Lausitz, Dekan der TU-Pädagogen. „Erfahrungen aus der Kindheit“ verliehen der Debatte eine geradezu „tiefenpsychologische Dimension“. Doch stehe sein Fachbereich dem präsidialen Streben nach Exzellenz keinesfalls im Wege. „Wir machen eine exzellente Lehrerausbildung“, beteuert Preuss-Lausitz.

Damit wird er auch in Zukunft fortfahren können. Nicht aus eigener Einsicht freilich lenkte Ewers in diesem Punkt ein – ihm war die Mehrheit im Akademischen Senat abhanden gekommen. Im Sitzungssaal der seit jeher stark politisierten Hochschule herrschen klare Fronten: auf der Türseite kehrt die linke „Reform-“ oder „Türfraktion“ den Publikumsplätzen den Rücken zu, auf der Fensterseite verdunkelt das Gegenlicht die Köpfe der konservativ-liberalen „Fensterfraktion“. Derzeit sitzt vor den Fenstern ein Senator mehr als vor der Tür. Diese knappe Mehrheit verhalf Ewers nicht nur ins Amt, sondern auch bei Abstimmungen zum Erfolg.

Doch am Abend vor der entscheidenden Abstimmung, mitten in einer zweitägigen Marathonsitzung, gingen die Senatoren zusammen ein Bier trinken. Aus dem einen Bier wurden am Ende ziemlich viele. Am nächsten Morgen revidierte das Gremium einstimmig seine Entscheidung von letztem Sommer, die Erziehungswissenschaften ganz zu schließen. Mindestens 14 Professuren sollen erhalten bleiben.

Doch nicht der Alkohol hatte die „Fensterfraktion“ umgestimmt, sondern die blanke Vernunft. Schließlich ist die Lehrerausbildung zweigeteilt in Erziehungswissenschaften einerseits und das Studium der jeweiligen Fächer andererseits. Dieses reine Fachstudium sichert aber nicht nur den Geisteswissenschaftlern an der TU ihre kleinen Pfründen, sondern auch Kapazitäten bei den Naturwissenschaftlern und, für Arbeitslehre- und Berufsschullehrer, bei den Ingenieuren. Ewers' Plan, dieses Fachstudium weiter anzubieten, den pädagogischen Schliff aber bei den anderen Universitäten stundenweise „einzukaufen“, erschien am Ende auch den Liberalen und Konservativen wenig praktikabel.

Im Grundsatz hält Ewers aber daran fest, alles „einzukaufen“, was nichttechnische Universitäten „effizienter“ anbieten können. Auf die vier Juraprofessoren will er aus diesem Grund verzichten. Die TU, so meint er, solle Fächer entweder ganz oder gar nicht anbieten. Weil Innovationen stets in den Randgebieten einer Disziplin entstünden, müsse es an einem Institut mehr als nur die Grundlagenprofessuren geben.

Dabei orientiert sich Ewers an den Empfehlungen des Wissenschaftsrats, der etwa bei den Wirtschaftswissenschaften zu mindestens 18 Hochschullehrern rät. Diese Zahl sei also unverzichtbar, um den Ingenieuren das nötige Managementwissen zu vermitteln. Je höher „der Grad der Verflechtung mit den technischen Disziplinen“, so lautet das Credo des Präsidenten, desto geringer sollten die Kürzungen ausfallen. Die Naturwissenschaften müßten daher als „wichtigste Zulieferer“ relativ groß bleiben. Die Hälfte ihrer Professorenstellen müsse eine Technische Universität ohnehin den Ingenieuren selbst zubilligen.

Einzig die geschrumpften Geisteswissenschaften nimmt Ewers vom strengen Diktat der Technikorientierung aus. Der Präsident kündigt gar an, das 1968 auf Betreiben der Studenten abgeschaffte „humanistische Studium“ wieder einzuführen. Anders ließe sich der Anspruch einer Technischen Unversität kaum aufrechterhalten. Er ist das Herzstück der „Gründungsidee“ von 1946. Mit dem universalen Bildungsanspruch wollten die britischen Besatzer eine Lehre ziehen aus der Geschichte der Technischen Hochschule Charlottenburg, die im Dritten Reich „eine der technischen Stützen jener ungeheuren Kriegsmaschinerie war, mit deren Hilfe das Nazideutschland andere Völker angriff und unterdrückte“.

Doch die Aufrißzeichnungen im Amtszimmer des TU-Präsidenten weisen weiter zurück. Sie stammen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als der Verein Deutscher Ingenieure verlauten ließ, „alle Kulturländer“ blickten neidvoll nach Charlottenburg bei Berlin, den „Brennpunkt des technischen Fortschritts“. Ralph Bollmann

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