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Ein Tag im Leben der Schnatze Von Carola Rönneburg

Eigentlich schalte ich beim fernsehen immer schnell den Ton weg, wenn die Werbung kommt, aber heute ist die kleine Besucherin da, und die will „alles gucken“. Wir sehen also zu, wie eine blonde Frau morgens aus dem Bett springt und topfit über den Parkettfußboden ihres geräumigen Appartements gleitet. Sie nimmt eine Ute-Lemper-Position auf ihrem Designerstuhl ein und trinkt ein Täßchen halbentkoffeinierten Kaffee. „Was macht die Frau jetzt?“ fragt die kleine Besucherin. „Das ist keine Frau“, sage ich, „das ist eine Schnatze.“ – „Was ist eine Schnatze?“ will Mademoiselle wissen. „Eine Schnatze“, beginne ich meinen Vortrag, „ist die neue Lichtgestalt in der Werbung. Die Schnatze ist unabhängig und geht einem höllisch aufregenden und gutbezahlten Job nach. Meist ist sie Top- Journalistin. In ihrer Handtasche befinden sich Binden und Tampons für jede Lebenslage, ein Lippenstift und Mini-Mints. Wenn sie zwei davon in ihren Schnatzenhals geworfen hat, läuft das exklusive Gespräch mit dem Rennfahrer einfach phantastisch, und im Anschluß daran stoppt sie noch schnell einen Politiker auf einer Freitreppe, dem sie mit schwer skeptischem Gesichtsausdruck das Mikrofon vor die Nase hält. Dann hat sie Feierabend.“ – „Und was macht die Schnatze dann?“

„Dann hat die Schnatze Zeit, in ihrem Auto die Freiheit zu genießen. Zügig fährt sie durch herrliche Landschaften, auf Straßen, die nur für sie freigeräumt sind. Bis sie an einer Ampel halten muß.“ – „An einer Ampel?“ – „Ja, eine Ampel. Das muß jetzt so sein, weil die Schnatze den Rückspiegel eines motorradfahrenden Neandertalers streift, der ebenfalls die Verkehrsregeln befolgt. Deshalb gerät der ölverschmierte Unteraffenmensch in Rage. Die Schnatze aber ist Herrin der Situation. Sie läßt langsam, geradezu lasziv das Seitenfenster herunter, langt aus dem Wagen, beschmiert den wettergegerbten Proleten mit Lippenstift – und ist schon, vierradangetrieben, auf und davon. Die Schnatze hat nämlich noch zu tun. In ihrem Schnatzenhaushalt gibt es keine Waschmaschine, deshalb geht die Schnatze in den Waschsalon. Hier stehen zwei leckere, gut gebaute Jüngelchen vor den Trocknern. Hinternschwingend schiebt sich die Schnatze an sie heran. Einer von den beiden Idioten hat sein Seidenhemd falsch gewaschen. Die Schnatze befingert es mit abschätzigem Blick und zerreißt es mit einer raschen Handbewegung ihrer unglaublich gut gepflegten Hände.“ – „Ratsch!“ brüllt meine Zuhörerin vergnügt. Ich fahre fort: „Abends in der Bar hat sie dann die Wahl zwischen drei hungrig dreinblickenden Volltrotteln, die nach ihr schmachten. Den letzten nimmt sie sich vor, denn der hat gefragt, wie sie ihren Dosendrink gern hätte. ,Auf dir‘, antwortet die Schnatze mit dunkler Stimme. Sie kippt ihm den Büchseninhalt über die Knopfleiste und packt ihn am Kragen: Ratzfatz steht der Kleine ohne Oberteil da, und die Schnatze macht sich hemmungslos über ihn her, denn sie weiß, was sie will. Und jetzt kommt der traurige Teil. Spät in der Nacht ist die Schnatze nämlich trotzdem ganz allein. Bei ihr ist dann nur ein kleines Kätzchen, dem sie ein Mitternachtsmenü serviert. Auf einem weißen Teller, mit Basilikumblättchen.“ Die kleine Besucherin äußert Mitleid mit der Schnatze. „Na komm“, tröste ich sie, „ist doch nur Film.“

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