Geschäftsmann verbessert sich

Nationalspieler Oliver Bierhoff bestätigt vor dem heutigen Länderspiel gegen Nigeria seinen wahrscheinlichen Wechsel zum AC Mailand und hat ansonsten tierisch Spaß  ■ Von Matti Lieske

Bergisch Gladbach (taz) – Die Szene hatte ohne Zweifel Symbolkraft. Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff traten gestern vormittag im Stadion von Bergisch Gladbach gemeinsam an, um das zügige Verwandeln von Flanken zu üben. Einsatz Bierhoff: der jagt den Ball problemlos volley ins linke Eck. Einsatz Klinsmann: Torhüter Kahn fängt ihm die Flanke vor der Nase weg. Wenig später: Kopfball Bierhoff – drin. Danach: Kopfball Klinsmann – Pfosten.

Unterschiedlicher könnte die Situation der beiden Stürmer derzeit kaum sein. Bierhoff schwimmt auf einer Erfolgswoge, und allein Ronaldo vermag es, ihn hin und wieder zu ärgern. Klinsmann dagegen leidet beim Abstiegsbewerber Tottenham Hotspur, wo er vermutlich nur noch mitkicken darf, weil er eine Stammspielerklausel im Vertrag hat. Vor Auswechslung bewahrt ihn die aber nicht. Er sei im Kommen, „schon seit Wochen“, behauptet er, aber glauben will ihm das niemand so recht. Außer vielleicht Berti Vogts. Aber selbst der würde ihm derzeit kaum eine Stammspielerklausel im Nationalteam einräumen. Zu seinem 102. Länderspiel kommt Klinsmann heute (19 Uhr, ZDF) in Köln vermutlich dennoch, aber nicht, weil der Bundestrainer gegen Nigeria voll auf ihn setzt, sondern weil es den führenden Bundesliga- Torjäger Ulf Kirsten an diversen Körperteilen zwackt.

Das hat der Leverkusener mit etlichen anderen potentiellen Nationalspielern gemein, und drum wird Berti Vogts ganz knurrig, wenn er auf den engen Terminkalender seiner Stars und deren mangelnde Fitneß angesprochen wird. Schließlich ist das Treffen mit den virtuosen Afrikanern der letzte Test, bevor er nach Ende der Bundesligasaison am 9. Mai seine 22 Leute für die WM in Frankreich benennen muß. Das Ergebnis sei gegen Nigeria „völlig unwichtig“, postuliert Vogts, wesentlich sei vielmehr, „daß wir Rhythmus gewinnen und ein temperamentvolles Spiel bieten“. Wie gut ist es unter diesen Umständen, daß er Oliver Bierhoff hat.

Der Angreifer des FC Udinese befindet sich in einem hervorragenden Rhythmus, sein Temperament läßt kaum zu wünschen übrig, sein Selbstbewußtsein ohnehin nicht, und meist hat er sich in der Vergangenheit als Torgarant erwiesen. Kleiner Wermutstropfen ist das 0:2 am letzten Sonntag bei Inter Mailand, welches der Brasilianer Ronaldo mit dem entscheidenden Tor krönte, „wie schon zuletzt beim Länderspiel“. Sehr ärgerlich, weil Ronaldo dadurch auch in der Torjägerliste mit 22 Treffern einmal mehr erfolgreich war als Bierhoff, aber andererseits nur ein kleiner Stachel. „Es bringt tierisch Spaß, mit so einer kleinen Mannschaft um den Uefa-Cup zu spielen und mit Leuten wie Ronaldo, del Piero oder Batistuta um die Torjägerkrone zu konkurrieren“, freut sich der Deutsche, und er darf sich doppelt freuen, weil es im nächsten Jahr wohl keine kleine Mannschaft mehr sein wird, für die er auf Torjagd geht. „Ich bin mit dem AC Mailand einig“, bestätigte Bierhoff gestern entsprechende Gerüchte, nun müßten sich nur noch die Klubs verständigen. Aus dem Rennen sind damit Juventus Turin und Parma, die sich ebenfalls um die Dienste des Deutschen bewarben, nur einen Wechsel in die Bundesliga habe er „nie ernsthaft erwogen“. Warum? „Es kam kein Angebot.“ Wohl, weil er zu teuer wäre.

Auf jeden Fall will Bierhoff vor der WM Klarheit über seine Zukunft, bange ist ihm nicht vor dem Wechsel zu jenem Klub, der es in den letzen Jahren immer wieder fertigbrachte, die teuersten Spieler zu verpflichten und trotzdem gräßlichen Fußball zu spielen. „Mit 30 ist das noch mal die Chance, zu einem großen Verein zu wechseln“, sagt er, und wenn es nicht funktioniere, dann sei das eben so. Schließlich wäre es ja auch eine „finanzielle Steigerung“.

Der Werbewirksamkeit des Dressman-Kickers wird das ruhmreiche Milan-Trikot nur gut tun, obwohl Bierhoff in dieser Hinsicht ebenfalls keinen Grund zur Klage hat. „Seit das angefangen hat, läuft es eigentlich von selbst“, sagt er zum immensen Interesse der Werbewirtschaft an seiner smarten Person. Auch auf diesem Gebiet hat er derzeit eigentlich nur Ronaldo zu fürchten.