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Wirbelsäule für den Kollwitzplatz

Studenten der HdK gestalten heute zwölf Litfaßsäulen um. An zentralen Orten sollen die Kunstobjekte auf unbequeme Tatsachen aufmerksam machen  ■ Von Christian Domnitz

„Wir wollen Denkanschläge auf Gedächtnislücken in der Stadtlandschaft plazieren“, sagt Holger Matthies, Professor an der Hochschule der Künste. Zwanzig seiner Studenten wollen heute aus zwölf Litfaßsäulen Kunstwerke machen, die sie mit unterschiedlichen Motiven bekleben. „Plakatkunst ist ein effektives Mittel, um die Öffentlichkeit anzusprechen“, sagt Studentin Susanne Benzing. Elf Tage lang werden die umgestalteten Säulen in der Stadt zu sehen sein. Jede hat ein eigenes Thema.

Da ist zum Beispiel die „abwaschbare Namenssäule“ auf dem Koppenplatz. Auf ihr sind die Namen von 50.000 deportierten Berliner Juden aufgelistet. „Die Farbe ist nicht wasserfest“, sagt Sebastian Lemm, der die „Namenssäule“ mitentworfen hat. „Wenn es regnet, verwäscht die Schrift und läuft an der Säule herunter. Das symbolisiert die Verdrängung von Vergangenheit.“ Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, wird sich in zwei Wochen die Säule ansehen. Extra dafür steht sie auch drei Tage länger als die anderen.

Die „Touristiksäule“ befindet sich auf dem Kollwitzplatz. „Wir haben dort Leute gefragt, was sie von den neuen Prenzlberg-Besuchern halten“, sagt Tim Stübane, ein anderer der HdK-Studenten. Eine Antwort kam prompt. „Früher dachte man, das wären Touristen. Jetzt bin ich der letzte Ossi hier.“ Alle anderen seien Wessis. So ist es auf der Säule zu lesen.

VVR-Berek, die Werbefirma der Verkehrsbetriebe, vergab die Litfaßsäulen kostenlos an die Studenten. Für das Material jeder Säule stellte die Hochschule 500 Mark bereit, zusätzliche Ausgaben decken private Sponsoren. „Solche Projekte sind immer auf Finanzen von außen angewiesen, denn die Universität hat wenig Geld“, sagt Matthies. Benzing findet derartige Kooperationen gut. „Sie sind realitätsbezogen, und man wird mit anderen Sachen als in der Uni konfrontiert.“

Die „Wirbelsäule“, ein weiteres Kunstexemplar am Kollwitzplatz, „diagnostiziert dem Hauptstadt- Patienten Frakturen durch politisches Gewürge und Lähmungsgefahr“, sagt Stübane. „Wir schlagen mehr Eigeninitiative als Therapie vor.“ Für „Suche Arbeit“ ging Bettina Bartzen ins Arbeitsamt und fotografierte 280 Gesichter. Nur mit Altersangabe und Beruf sind die namenlosen Porträts nun in der Nähe des Winterfeldtplatzes auf schwarzen Grund gepinnt. „Vielleicht entzünden sich Diskussionen an unserem Projekt“, hofft Tim Stübane. „Wir werden es dokumentieren.“

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