: Serben stimmen über Kosovo ab
Nach dem Willen von Milošević soll sich die Bevölkerung in einem Referendum gegen eine internationale Vermittlung in der Krisenregion aussprechen ■ Aus Priština Erich Rathfelder
Die serbische Bevölkerung ist heute dazu aufgerufen, über eine internationale Vermittlung im Kosovo-Konflikt abzustimmen. Während die regierenden Parteien, die „Sozialistische Partei“ des Slobodan Milošević und die „Radikale Partei“ des nationalistischen Extremisten Vojislav Šešelj, die Initiative voll und ganz unterstützen, riefen demokratische Oppositionelle aus Belgrad, der Vojvodina und des Sandžak die Bevölkerung zum Boykott auf. Die Menschenrechtlerin Vesna Pesić, im letzten Jahr eine der führenden Persönlichkeiten der Oppositionskoalition „Zajedno“, Oppositionsparteien aus der Vojvodina um Dragan Veselinov und Mile Isakov sowie Vertreter der Muslime des Sandžak sehen in dem Referendum ein Hindernis für eine friedliche Lösung des Kosovo-Konflikts. Die albanische Bevölkerung in der serbischen Provinz wird an der Abstimmung ohnehin nicht teilnehmen.
Daß das Volk zu den Urnen gerufen wird, um über die Frage „Akzeptieren Sie die Einmischung fremder Mächte für die Lösung des Problems im Kosovo? Ja oder nein“ zu entscheiden, ist ein außergewöhnlicher Vorgang. Der jugoslawische Präsident Milošević will mit einem Erfolg bei der „demokratischen Abstimmung“ die Einflußnahme des Auslands auf den Gang der Dinge im Kosovo reduzieren. Belgrad befürchtet, eine internationale Vermittlung im Kosovo würde den Status der kosovo- albanischen Führung aufwerten und auch nach innen hin signalisieren, daß die serbische Herrschaft im Kosovo in Frage gestellt ist.
Allgemein wird damit gerechnet, daß die politische Führung in Belgrad eine große Mehrheit der serbischen Bevölkerung für das „Nein“ mobilisieren kann. Seit Wochen schon werden in den staatlich gelenkten Medien Filme über die 1389 stattgefundene historische Schlacht gegen die „Türken“ gezeigt und damit versucht, die Emotionen der serbischen Bevölkerung zu wecken. Darüber hinaus werden die Aktionen der Polizei und des Militärs im Kosovo konsequent als „Kampf gegen den Terrorismus“ dargestellt.
Die kurz vor dem Referendum veröffentlichten Berichte über die Flucht von Serben aus der neuen Krisenzone um Djakovica im Westen des Landes, die an Albanien grenzt, hat zudem die Emotionen hochschwappen lassen. Daß immer wieder Albaner durch Scharfschützen der Polizei ums Leben kommen, wird dagegen unter den Teppich gekehrt.
Die Frage, ob das Referendum sich wirklich dazu eignet, die Voraussetzungen für „Verhandlungen ohne Bedingungen“ zu verbessern, wird von vielen Beobachtern bezweifelt. „Wir sind nach wie vor bereit zu verhandeln, erklärt zwar der Chef des serbischen Informationsministeriums im Kosovo, Bosko Drobnjak. Doch in einem Hintergrundgespräch stellt er gleichzeitig klar, daß Verhandlungen nur im Kontext des von Belgrad gesetzten „legalen Rahmens“ durchgeführt werden können. Die Albaner des Kosovo sollten als „gleichberechtigte Bürger und als „Minderheit“ am Staatsleben Serbiens teilhaben.
Genau dies jedoch will die kosovo-albanische Führung um Ibrahim Rugova nicht. Sie betrachtet die Volksabstimmung als innerserbische Angelegenheit. Einer ihrer Sprecher erklärte gestern, schon 1991 habe die kosovo-albanische Bevölkerung mit mehr als 99 Prozent Stimmen für die Unabhängigkeit des Landes gestimmt. Die serbische Forderung, die albanische Bevölkerung solle an einem Referendum teilnehmen, in dem gegen ihre eigenen Interessen abgestimmt wird, sei paradox.
Die kosovo-albanische Führung ist zu „Gesprächen ohne Bedingungen“ nur dann bereit, wenn ein internationaler Vermittler am Tisch sitzt. Die serbische Führung ist zu solchen Gesprächen nur unter der Bedingung bereit, daß die Kosovo-Albaner die existierende serbische Verfassung anerkennen. Ohne internationale Vermittlung sind Verhandlungen zwischen beiden Seiten kaum vorstellbar. Schon stehen Truppen und Polizeieinheiten bereit, um nach dem Referendum in der Region Djakovica einzugreifen.
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