: Wo Wege fehlen fließt kein Geld
Fahradfahrer sind zahlungskräftige Touristen, doch in Brandenburg fehlt für diese Klientel bislang die Infrastruktur ■ Von Lars Klaaßen
Bahnhof Berlin-Karow – rund 20 Radfahrer warten auf den Regionalzug nach Groß Schönebeck: Der ADFC hat zur Presseradtour geladen. „Der Fahrradtourismus in der Mark bietet der Region ein großes wirtschaftliches Potential, aber das wird nicht genutzt“, erläutert Axel von Blomberg im Zug. Der Landesvorsitzende von Brandenburg informiert die rund 20 Teilnehmer nicht nur über die Sehenswürdigkeiten der Schorfheide, sondern auch über verkehrs- und tourismuspolitische Hintergründe: „Verglichen mit anderen Bundesländern wird hier zuwenig für den Wegeausbau getan.“ Die Gaststätten und Hotels wiederum seien in Brandenburg nur zu einem Drittel ausgelastet. Lothar Kliesch (SPD), Tourismusexperte und Landtagsabgeordneter, möchte da Abhilfe schaffen. So hat auch er sich auf den Drahtesel geschwungen: Um sich Probleme vor Ort anzuschauen – aber auch um für die Region die Werbetrommel zu rühren, denn: „Mit den Paddlern sind die Radfahrer für Brandenburg die wichtigste Besucherklientel.“
27 hauptamtliche Mitarbeiter der Naturwacht sind in dem fast 130.000 Hektar großen Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin für Artenschutz und Landschaftspflege zuständig. Zwei von ihnen begleiten uns auf dem Weg über Schluft und Krewelin bis Zehdenick. „Die rund 240 Seen umfaßende Kulturlandschaft ist eines der größten Schutzgebiete in Deutschland“, weiß Naturwächterin Nanett Nahs. 35.000 Menschen leben hier. Von denen ist auf dem Weg durch die Wälder und Felder jedoch kaum etwas zu sehen. Im Faulen Flies hingegen hat ein Bewohner des Reservats deutliche Spuren hinterlassen: Biber haben das Gehölz abgenagt und einen Staudamm gebaut. Nahs wirbt für die Schätze, die via Tourismus in bare Münze verwandelt werden sollen: „Weitere bestandsbedrohte Arten sind in der Schorfheide in gut entwickelter Population beheimatet.“
Kurz vor Krewelin treffen wir auf eine andere Spezies: Ein kommunal geförderter Radweg säumt auf beiden Seiten unvermittelt die gut befahrbare und sichtlich kaum von Autos frequentierte Straße. Nach ein bis zwei Kilometern endet der Weg so abrupt wie er begann. Michael Föge, Landesvorsitzender des ADFC-Berlin: „Gut beschilderte Routen, die abseits von befahrenen Straßen entlangführen, sind nötig, um die Leute am Wochenende aufs Rad und aufs Land zu bringen.“ Kliesch betont hingegen, daß der Aufbau eines überregional abgestimmten Wegenetzes „massiv gefördert“ werde. Das Land Brandenburg hat bislang 2.100 Kilometer Radwege gebaut, hinzu kommen rund 1.000 Kilometer, die von den Kommunen über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanziert wurden. Über 170 Millionen Mark, verteilt auf 21 Projekte, wurden laut Wirtschaftsministerium im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ seit 1990 in den märkischen Sand gesetzt. 20 weitere Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von knapp 40 Millionen Mark sollen noch folgen. Wieviel von diesem Kuchen im weitesten Sinne für Fahradtourismus abfällt, weiß jedoch niemand.
Nach einer Rast im Zehdenicker „Stadtgarten“ geht es weiter durch die wasserreiche Tonstichlandschaft nach Mildenberg. Im dortigen „Ziegeleipark“ präsentiert Georg Wilhelm, der Vorsitzende des Fördervereins, seine Vision einer touristischen Zukunft: Die denkmalgeschützten Industrieanlagen (vgl. die tazVeloTour vom 28. März) werden schrittweise zum Museums- und Freizeitpark ausgebaut. Wilhelm: „In diesem Jahr werden mit EU-Geldern vier Millionen Mark investiert.“ 2001 sollen 50.000 zahlende Besucher die Anlage in den schwarzen Zahlen halten. Der Ziegeleipark wird dann an den „Spree-Havel-Müritz- Radweg“ angebunden sein. Ein Fahradverleih und Velo-Shuttle- Service zum Bahnhof Dannenberg sollen das Angebot abrunden. Die Radtouristen werden nicht umsonst ins Visier genommen. „Das ist eine zahlungskräftige Klientel“, betont Kliesch. Laut ADFC-Berechnungen liegen die durchschnittlichen Ausgaben der Velotouristen in einigen Regionen 20 Prozent über dem Durchschnitt. Im Brandenburger Wirtschaftsministerium geht man nicht davon aus, daß Radler mehr Geld im Land lassen als andere Besucher.
Der ADFC bietet in der Region Brandenburg das umfangreichste Radtourenprogramm Deutschlands an. „Nicht nur wegen der schönen Landschaft“, so Blomberg: „Aufgrund der mangelnden Infrastruktur sind die meisten Radler auf geführte Touren angewiesen.“
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