Schöner Leben: Der Reifen ist platt
■ Kein Attentat, so die Konkurrenz
Noch nie hat ein Fahrradmechaniker Hand an die Reifen meines ganzen Stolzes gelegt. Die technische Begabung meinerseit ist zwar mies, aber selbst mein Vater konnte mir zeigen, wie der Mantel von der Felge fällt. Seit Jahren ist das profane Reifenflicken die einzige, aber profunde Manifestation meines unterbelichteten technischen Sachverstandes.
Vom Pfad dieser Tugend abzuweichen lohnt nicht, wurde nun bestätigt. Erstmals wurde das platte Hinterrad meines blauen Stolzes, vom ersten taz-Geld gekauft, in einem alternativ-professionellen Fahrradladen im Viertel behandelt. Kurz vorher hatte man sich dort liebevoll auch um das Vorderrad des Damenfahrrads gekümmert, daß normalerweise in zärtlicher Zweisamkeit neben dem blauen Blitz im Fahrradschuppen steht. Überaufmerksam war die Halterin des Damenfahrades von einem interessierten Fahrradhändler bedient worden, der auch beim Abholen des Rades aus dem Hinterraum stürmte, um die Kundin höchstselbst zu bedienen. Er hätte verständlicherweise und offensichtlich einiges für ihre private Telefonnummer gegeben.
Nach der freundlichen Erfahrung und gewechseltem Reifen sollte also auch der blaue Blitz frühlingsfit gemacht werden, und der blonde Fahrradhändler hatte Glück: Wieder war es die Halterin des Damenfahrades, die die neue Kundenware anschleppte. Der Fahrradhändler indes ließ sich nicht einschüchtern von der maximal ausgefahrenen Sattelstange in Überlänge. Und lud die Kundin zum intimen Sektempfang.
An diesem Punkt begann sich das Blatt langsam zu wenden. Denn zwei Wochen später war der Vorderreifen des Damenfahrrades wieder platt. Ein Schuft, der Böses dabei denkt. Die Halterin kam, er flickte sofort und entfernte einen Glassplitter aus dem Inneren des Mantels. Gut möglich, daß er den bei der ersten Reparatur übersehen hatte, räumte er ein. Und kassierte erneut für das Flickwerk zwei Dutzend Mäuse. Da werden einfache Glassplitter hübsch teuer und schlagen auf den Geldbeutel – und in die Kassen von vergeßlichen Profi-Flickern.
Die Sollbruchstelle am Damenfahrrad hält seitdem. Kein Grund zur Eifersucht, kein Grund zur Qualitätsklage.
Dann kam der vorletzte Sonntag: Schon an der Sielwall-Kreuzung mußten wir unsere Jacken ausziehen, weil beim Strampeln der erste Sonnenschweiß des Jahres auf die Stirn trat. Das Bremische Umzu, es schien so nah. Es geschah an der Ampel zum Osterdeich. Als bei Grün aufgesattelt wurde, kündete beim blauen Blitz von hinten ein sattes, plötzliches Zischen von heraufziehenden Unheil. Der Reifen war in Sekunden superplatt. Das war kein Loch. Das war ein Attentat. Der Mantel war seitlich aufgerissen, der Schlauch hing schlapp heraus.
Die Konkurrenz konnte keinen Pfusch entdecken. Ein vergessener Splitter – das käme vor. Der aufgerissene Mantel – muß schon vorher marode gewesen sein. Und das neue Loch im Schlauch – ein spitzer Gegenstand. Die Handhabe, den netten Fahrradhändler in die Mangel zu nehmen, sie wurde nicht geliefert. An der Kasse stand ein Korb mit Zubehör. Zum Auswuchten, Aufrauen, Aufkleben. Die Hand zuckte. Cristoph Dowe
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