: Verklemmter Akt
■ Präzise, aber platt: Thommie Bayers Roman „Der langsame Tanz“
Es gibt intime Verhältnisse zwischen Menschen, die der Zufall voneinander abhängig gemacht hat. Krankenschwester und Patient, Taxifahrer und Fahrgast, Malerin und Modell. Thommie Bayers Der langsame Tanz handelt von einem solchen Paar. Der Autor erzählt seine Geschichte so unprätentiös, daß man mit Spannung durch die ersten hundert Seiten fliegt.
Martin arbeitet als Aktmodell in der Hamburger Kunstakademie, und Anne ist die Malerin, die ihn aufs Papier bannt. Doch irgendwann regt sich Martins Männlichkeit während einer Sitzung, und der junge Mann kündigt beschämt die gutbezahlte Stellung. Aber Anne läßt nicht locker – wenn auch nur aus künstlerischen Erwägungen.
Der Erzähler, der wie mit einer Kamera die Geschehnisse aus Martins Perspektive aufnimmt, geizt mit Informationen und spielt mit dem Leser ein doppeltes Spiel: Er berichtet in zwei Erzählsträngen, deren erster die Zeit nach der Trennung des Paares, das nie eines war, einfängt. Die zweite Handlungskette beginnt während der für Martin so peinlichen Sitzung. Diese auseinandergerissene Berichterstattung macht hungrig auf neue Informationen. Doch nach 100 Seiten verwässern blasse Dialoge die Stimmung; wortkarge Charaktere etwa murren stets „Mhm“. Sowie bereits die Figurenkonstellation kaum neu erscheint, ist das Ende lustlos, und mit einem Schnaufer legt man das Buch zur Seite. Bayers Stärke ist die Präzision, mit der er den Schmerz, das Verlangen und die Eifersucht des Protagonisten tranchiert. Die Story wird durch die detailverliebte Beobachtungsgabe des Autors aufgewertet – aber das ist für einen Daumen dick Papier zu wenig. yop
Thommie Bayer: „Der langsame Tanz“, Eichborn, 194 Seiten, 22 Mark.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen