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Besser im Dunkeln

■ Quentin Tarantinos Schauspieldebüt in Frederick Knotts Thriller "Wait until Dark" mißfällt der Theaterkritik, doch nicht dem Publikum

Quentin Tarantino liebt Möchtegernverbrecher, die große Meister im Pläneschmieden sind und in der Ausführung blutige Stümper. In seiner neuesten Variation dieses Themas wagt er sich erstmals als Schauspieler auf der Bühne hervor. Frei nach Napoleons Motto „Wenn man Fehler macht, dann schon richtig“ – gleich am Broadway, in dem nach einem großen New Yorker Kritiker benannten Brooks Atkinson Theatre.

Obwohl sich in diesem Frühjahr die Hollywood-Stars am Broadway die Blumensträuße nur so in die Hand geben, wurde Tarantinos Einstand in dem Thriller „Wait until Dark“ mit größter Spannung erwartet. Die Boulevardzeitung New York Post schickte sogar Spione nach Boston, wo das Stück seine Vorpremiere hatte. Sie kamen mit einem Verriß zurück, den Atkinsons Erbe Ben Brantley, der Chefkritiker von der New York Times, nach der Premiere bestätigte. Sein größter Kritikpunkt: Tarantino hänge bloß auf der Bühne herum, statt zu spielen.

Daß die Figuren einfach herumhängen, ist allerdings in dessen Filmen ästhetische Strategie. Frei nach der Devise eines anderen großen Staatsmannes, die Dinge erst einmal auszusitzen, wollen sie um jeden Preis den Eindruck erwecken, alles unter Kontrolle zu haben. Für Tarantinos Helden kommt jedoch unvermeidlich die blutige Stunde der Wahrheit, wenn auch, dies wiederum wie für Helmut Kohl, nie die Stunde des Umdenkens.

Diese Physiognomie paßt zu Harry Roat, der in Frederick Knotts Krimistück das Superhirn eines Verbrechertrios bildet. Harry (Tarantino), Mike (Stephen Lang) und Carlino (Juan Carlos Hernandez) wollen eine Kuriersendung reines Heroin erbeuten, die in die Wohnung einer ahnungslosen Blinden geraten ist. Susy (gespielt von der Oskar-Preisträgerin Marisa Tomei, die Tarantino in „Four Rooms“ filmte) scheint ein so lächerlicheres Hindernis zu sein, daß sich das Trio mit einer komplizierten List die Latte freiwillig höher legt. Wie in „Reservoir Dogs“ verteilen sie untereinander Namen und Rollen für ein Verwirrspiel, mit dem sie ohne Blutvergießen an ihre Beute herankommen wollen. Wie in „Pulp Fiction“ legen sie den größten Wert auf gute Umgangsformen („Du mußt bitte sagen!“). Doch wie in „Jackie Brown“ hat Harry am Anfang einen Mord begangen, der, obwohl „sauber“ ausgeführt, zum Ausgangspunkt einer tragikomischen Gewaltspirale wird.

Jede von Knotts Figuren hat etwas von einer Karikatur. Susy ist furchtbar unbeholfen, aber der Gatte möchte sie zur besten aller blinden Ehefrauen abrichten. Harry hat offensichtlich in seiner Jugend zu viele Dr.-Mabuse-Filme gesehen, ohne je darüber nachzudenken, warum die großen Pläne dort immer versagen. Kurz, in ihrer hartnäckigen Dysfunktionalität nehmen sich die Figuren nichts, und das ist so gewollt.

Nicht so bei den Schauspielern. Brantley hat recht: Tarantino ist ein furchtbarer Dilettant. Er mag gut genug sein, um in kleinen bis mittelgroßen Filmrollen aufzutauchen. Doch live auf der Bühne wird er von Tomei und Lang an die Wand gespielt. Er hat nur eine einzige Technik: Sich selbst als den unangenehm wirkenden, vierschrötigen Mann zur Geltung zu bringen, der er eben ist. Dazu sitzt er meistens auf der Couch und rasselt mit unbewegtem Gesicht seinen Text herunter. Das ist allerdings immer noch besser, als wenn er, subtil wie eine abgesägte Schrotflinte, in Aktion tritt. Als Harry im großen Showdown des Stücks zum Berserker wird, verlöschen weise die Bühnenlichter.

Glücklicherweise ist das Publikum nicht so empfindlich wie wir Kritikerinnen. Es ließ sich von Tarantinos spürbarer Begeisterung für seine Rolle mitreißen. Die anderen Schauspieler und Knotts witzige Dialoge besorgten den Rest. Am Ende gab es also doch den ersehnten großen Beifall für einen strahlenden Helden, und bis Ende Mai sind alle Vorstellungen restlos ausverkauft. Henrike Thomsen

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