: Rock gegen Diskriminierung
■ 500 Behinderte demonstrieren für Gleichstellungsgesetz
„Baut sie ab, die vielen Treppen, dann braucht uns niemand mehr zu schleppen.“ Mit Rockmusik brachten gestern die behinderten Mitglieder der Band Schrottrock Forderungen der Bremer Behinderten auf den Punkt. 500 Menschen demonstrierten dazu auf dem Marktplatz. Ihre zentralen Forderungen: Ein parlamentarischer Behindertenbeauftragter, ein Aktionsbündnis gegen Diskriminierung und ein Gleichstellungsgesetz.
Eine entsprechende Gesetzesvorlage von mehreren Arbeitskreisen behinderter Menschen liegt der Bürgerschaft bereits seit zwei Jahren vor. Unterdessen wurde zwar im Oktober vergangenen Jahres ein Gleichstellungsgrundsatz in die Landesverfassung aufgenommen. „Sonst hat sich aber nichts bewegt“, ärgert sich Horst Frehe von der Aktion „Selbstbestimmt leben“. „Die Politiker waren offensichtlich pikiert, daß Nichtnutze ihren Job gemacht haben.“ Nach seinen Angaben hat sich seitdem die Situation Behinderter in Bremen eher noch verschlechtert. „Die Investitionsmittel für Eingliederungshilfen sollen um vier Millionen Mark gekürzt werden. Das ist teilweise sogar rechtswidrig“, sagt Frehe, zugleich Sozialrichter. Zudem prangert er an, daß das Bremer Landespflegegesetz abgeschafft werden soll. „Das bedeutet für viele Behinderte einen monatlichen Verlust von 750 Mark.“
Dazu entgegnete Holger Bruns, Sprecher der Sozialsenatorin, daß beim Landespflegegeld tatsächlich Kürzungen in Höhe von 700.000 Mark vorgesehen seien. „Allerdings hat die Deputation die Vorlage ausgesetzt.“ Ein parlamentarischer Behindertenbeauftragter ist auch nicht vorgesehen. Laut Bruns wird aber zur Zeit überlegt, bei den Behindertenverbänden eine Stelle zu finanzieren, damit ein hauptamtlich Beschäftigter die Behinderteninteressen etwa in der Sozialdeputation vertreten kann. „Dort haben die Verbände übrigens jetzt schon Rederecht“, sagt Bruns.
Das ändert nichts an der schlechten Meinung der Behinderten über die Politiker. Auch die Bremer Werkstatt für Behinderte (WfB) beschwert sich über Diskriminierungen. Werkstatträtin Sabine Pape: „Wir fordern vor allem endlich gleiche Behandlung auf dem Arbeitsmarkt. Aber offensichtlich sind wir der kompletten Politikerkaste egal.“ Fest steht jedenfalls, daß die Demonstration nicht einmal am Tag der Behinderten stattfinden konnte. Der war bereits am Dienstag. Zeitgleich mit dem Europatag. Und Militärkapellen waren der Bremer Politik offenbar wichtiger als Behinderte. Jeti
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