: Wasserwerker drehen den Hahn voll auf
■ Wasserwerke wollen Ende des Wassersparens: Kein "ökonomischer oder ökologischer Grund" mehr, weil sich Grundwasser erholt hat
Berlin soll nicht länger auf dem trockenen sitzen: „Es gibt keinen vernünftigen ökonomischen oder ökologischen Grund mehr für das Wassersparen“, erklärte Ludwig Pawlowski, Technischer Vorstand der landeseigenen Berliner Wasserbetriebe (BWB). „Eigentlich müßten wir den Leuten sagen: Hört auf, Wasser zu sparen.“ Auch die Umweltverwaltung bestätigt, daß es derzeit „sehr, sehr viel“ Grundwasser gebe und nicht mehr „um jeden Preis“ der Hahn zugedreht werden müsse.
Die Hoffnung auf das feuchtfröhliche Ende der Genügsamkeit hat für die BWB handfeste wirtschaftliche Gründe. Denn der Rückgang des Wasserverbrauchs sorgt auch für Ebbe in der Kasse der BWB. Für 1998 erwartet das Unternehmen einen Rückgang von insgesamt 40 Millionen Mark bei den Einnahmen aus Wasser- und Abwassergebühren. Im Jahresabschluß für 1997 wird der Gewinn der BWB nur noch 160 Millionen Mark betragen, die an das Land Berlin abgeführt werden. Den Gewinn schmälert auch das Wasserentnahmegeld von 60 Pfennig pro abgepumptem Kubikmeter Wasser. „In Brandenburg liegt dieser Betrag nur bei fünf Pfennig“, so BWB-Sprecher Stephan Natz.
Wassersparen galt lange Zeit als ökologische Devise, um mit der Entnahme aus dem Grundwasser nicht die Regenerationsfähigkeit der Ressource zu bedrohen. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist von einst 200 Litern (im Ostteil von knapp 300 Litern) auf täglich 170 Liter gesunken. Den Wasserverbrauch der Industrie herausgerechnet, läßt jeder Einwohner knapp 130 Liter täglich durch den Abfluß rauschen. Der Zusammenbruch der wasserintensiven Industrie, aber vor allem auch die konsequente Politik des Grundwasserschutzes hätten sich ausgezahlt. Vor allem achte die Umweltverwaltung stark darauf, daß bei Baumaßnahmen das abgepumpte Grundwasser wieder versickert und damit zurückgeführt werde. Nur 35 Prozent des Trinkwassers stamme aus dem Grundwasser, der Rest kommt aus dem Uferfiltrat und der Wiederberieselung. „Das Grundwasser hat sich erholt“, so Pawlowski.
Auch die Kritik des Rechnungshofs an den Wasserpreisen wies Pawlowski zurück. Die Prüfer hatten moniert, Wasser und Abwasser seien im Vergleich zu anderen Städten zu hoch. „Diese Gemeinden haben aber teilweise einen weit höheren Wasserverbrauch, so daß die Kunden im Endeffekt das gleiche zahlen“, so der BWB-Vorstand. Schließlich interessiere den Kunden nur, was er allgemein für die Wasserversorgung zahle. Da 80 Prozent der BWB-Ausgaben Fixkosten sind, sei bei weiteren Einnahmeverlusten die Erhaltung des Leitungssystems gefährdet.
Dietrich Jahn, Referatsleiter für Wasserwirtschaft bei der Umweltverwaltung, bestätigt den dramatischen Einbruch beim Wasserverbrauch. „In den letzten neuen Jahren ist der Verbrauch um ein Drittel von jährlich 350 Millionen auf unter 250 Millionen Kubikmeter zurückgegangen.“ In einigen Gegenden wie dem „Blumenviertel“ in Rudow kämpfen die Bewohner deshalb regelmäßig mit vollgelaufenen Kellern. Auch die einstmals heiß diskutierte Nutzung von Regenwasser für den Hausgebrauch werde kaum noch erwogen. Dennoch bleibt es für Jahn wichtig, weiterhin bei Toilettenspülung und Haushaltsgeräten auf sparsamen Umgang zu achten: „Wer weiß denn, wie es in zehn Jahren aussieht.“ Bernhard Pötter
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