: Das Private ist politisch
Innensenator Wrocklage beglich Anwaltskosten aus der Bußgeldkasse. Das sei „völlig normal“. FDP fordert: „Treten Sie zurück!“ ■ Von Silke Mertins
Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) hat die Anwaltskosten aus einem Zivilprozeß gegen den FDP-Politiker Rainer Lettow aus der städtischen Bußgeldkasse bezahlen lassen. Lettow hatte Mitte März vor Gericht mit der Behauptung recht bekommen, daß Wrocklage seine Villa im Nobelviertel Uhlenhorst zu einem seltsam günstigen Preis erworben hat. Und zwar von einer Frau, gegen die wegen des Verdachts der Beamtenbestechung ermittelt wird. „Ist Wrocklage bestochen worden?“ fragte sich Lettow öffentlich.
Das Gericht fand diesen Vorwurf zwar „durchaus ehrenrührig“. Doch der niedrige Kaufpreis berechtige kritische Nachfragen: 680.000 Mark bezahlte Wrocklage für das 130 Quadratmeter große Haus aus dem Jahr 1930, das in einer ruhigen Seitenstraße liegt. Normalerweise, befand der Richter, sei so eine Bleibe nicht unter einer Million Mark zu haben. Es bestünde „kein Zweifel“, daß der Kaufpreis „nur als Schnäppchen bezeichnet werden kann“.
Wrocklage wurde dazu verdonnert, die Anwaltskosten zu tragen. Doch statt seiner bezahlte die Bußgeldkasse – ein Konto, auf das Parksünder normalerweise ihre Strafgelder einzahlen. Daß der Senator die Kosten auf die Stadt abwälzt ist um so verwunderlicher, als es sich um eine vergleichsweise kleine Summe handelt, die Wrocklage mit seinem monatlichen Einkommen von rund 22.600 Mark nicht an die Armutsgrenze gebracht hätte: 132,25 Mark.
Als Lettow über seinen Anwalt von den identischen Kontonummern erfuhr, „wollte ich es erst selbst nicht glauben“. Die Bankauszüge sind jedoch eindeutig. „Senator Wrocklage hat seine privaten Zivilprozeßkosten von der Finanzbehörde bezahlen lassen“, schimpft der FDPler.
Die Innenbehörde bestätigt den Zahlungsvorgang und findet die Kostenübernahme „ganz normal“. Begründung: Das Private ist politisch. Wrocklage sei schließlich als Amtsträger angegriffen worden. Lettow selbst habe mit seinen Bestechungsvorwürfen das Ganze „auf eine politische Ebene gehoben“, so Behördensprecher Christoph Holstein. Somit sei Wrocklages privater Zivilprozeß zum Politikum geworden. Wegen der neuerlichen Vorwürfe des FDPlers sollen rechtliche Schritte geprüft werden.
Lettow hält die Begründung der Innenbehörde „von der politischen Hygiene her für ganz schlechten Stil“. Das Maß sei voll. Nicht nur habe der Innensenator mehrere Millionen Mark aus Steuermitteln für eine mangelhafte EDV-Anlage „in den Sand gesetzt“. Nun zahle er seine „Privatrechnungen auch noch über die Subventionskasse, die das Millionenloch wieder stopfen soll.“ Für Lettow geziemt sich nur eine Konsequenz: „Treten Sie zurück!“
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