Zerbrechliche Welt

■ Zum Fontane-Jahr: Das Metropolis-Kino zeigt drei Verfilmungen des Frauenromans „Effi Briest“

Im Gegensatz zu einem Jungstar wie Bertolt Brecht zeigte Theodor Fontane mit seinem Schaffen, daß auch ein spätes Debüt nachhaltig wirken kann. Fontane, der am 20. September 100 Jahre tot ist, publizierte seinen ersten Roman Grete Minde mit 61 und verfaßte danach Werke, die heute allesamt ihren Platz im bürgerlichen Referenzsystem besitzen. Zeigen sie doch Glanz und Abgrund der Gesellschaft, am populärsten wohl in der Geschichte der Ächtung Effi Briests. Ihr Verhältnis mit einem Major zwingt ihren Ehemann zum Duell: weil ihn das „Gesellschafts-Etwas“ dazu verpflichtet.

Es ist dieses Problem der Beziehung zwischen Individuum und Allgemeinheit, das Fontane noch einmal besonders kunstvoll in seinem letzten Buch Der Stechlin, einem Konversationsroman, beleuchtet. Wo eine in Norm und Doppelmoral zunehmend eingeengte Gesellschaft nicht mehr handeln kann, da bleiben nur die Stimmen, die auch ein Erzähler nicht mehr zu einem großen Sinn verknüpfen kann. Dieses Augenmerk auf Brüchigkeiten im Sozialen schärft zudem den Blick für das Andere der Kultur: Das Elementare, in Effi Briest in Gestalt des Spuk-Chinesen, bricht sich im Stechlin in den Fontänen eines Sees Bahn, der angeblich unterirdisch direkt mit Australien verbunden sein soll. So gilt es, nicht auch noch Fontane zu seinem 100. Todestag totzuwürdigen, sondern ihn vielmehr mit seinem Gespür für die Zerbrechlichkeit noch der solidesten Welt zu lesen. Vor allem zu lesen.

Oder zu schauen: Das Metropolis zeigt drei Effi Briest-Verfilmungen, die verschiedene Interpretationen der Konflikte der Romanwelt sind. Je nach Zeit und Ideologie. Zunächst ist da Der Schritt vom Wege, von Gustav Gründgens 1939 als Abstrafungsdrama linientreu in Szene gesetzt, außerdem die DDR-Bearbeitung Effi Briest von Wolfgang Luderer (1968). Schließlich wird die geniale Umsetzung Rainer Werner Fassbinders, Fontane Effi Briest, gezeigt, deren Parallelmontage der Duell-Sequenz ein Muß für jedes Filmseminar ist. mtl

heute: „Der Schritt vom Wege“, 19. 5.: „Effi Briest“. 22. 5.: „Fontane Effi Briest“, jeweils 19 Uhr