: Wenn der Alte ewig breit auf dem Sofa liegt
■ Der weltliche Guttemplerorden bietet Jugendlichen und Kindern von AlkoholikerInnen Hilfe
„Fragen Sie mal einen Alkoholiker, ob seine Kinder etwas von seinem Problem mitbekommen.“ Die Antwort, weiß Harald Krokat, falle in 99% aller Fälle gleich aus. Unterm Saufen leiden die, die davon wissen. Und dazu zählen die Kinder nicht. „Totaler Quatsch“, sagt Krokat. Und der weiß als Ex-Alkoholiker und Vater von zwei Kindern, wovon er redet. „Kinder kriegen viel mehr mit, als die Eltern glauben. Und sie leiden enorm unter deren Suchtkrankheit.“ Und wenn dann mal wieder „der Alte ewig breit auf dem Sofa liegt, merken die sehr schnell: Mensch, damit habe ich ein Problem.“
Doch bisher, erzählt Krokat, gab es für diese Kinder und Jugendlichen keine spezielle Anlaufstelle. Und diese Lücke will der Ortsverband des Deutschen Guttempler-Ordens, dessen zweiter Vorsitzender Krokat ist, für Bremen und Bremerhaven nun schließen.
„Hilfe“ heißt das Projekt, das die Guttempler deshalb ersonnen haben. Acht MitarbeiterInnen, die von PsychologInnen und TherapeutInnen des Landes Bremen mit Blick auf die besonderen Probleme von AlkoholikerInnen geschult wurden, sind für Hilfesuchende telefonisch rund um die Uhr erreichbar. Zudem bieten die Guttempler in Bremen-Mitte und -Nord jeweils ein E- und I-Team an: Feste Gruppen für die von der Alkoholsucht der Eltern Betroffenen (E) oder selbst trinkende Kids (I). Einmal im Monat wollen sich die TeamerInnen mit den Jugendlichen treffen und so eine über die akute Nothilfe gehende Langzeitbetreuung gewährleisten.
Bei 14.000 bis 20.000 Alkoholkranken in Bremen, von denen die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren ausgeht, rechnet Krokat mit einem enormen Beratungsbedarf. 160 Bremer Schulen haben die Guttempler angeschrieben, alle Behörden und jugendpolitisch engagierten Personen und Gruppen mit Informationen über „Hilfe“ versorgt. Am 15. Mai wird zudem ein Aktionstag stattfinden, an dem unter anderem alle Bremer Schulen im Unterricht auf das Projekt aufmerksam machen werden.
Daß das Ganze über den humanitären Aspekt hinaus auch der Werbung für den weltlichen Orden dient, der sich seit 1851 dem Kampf gegen Alkoholismus verschrieben hat, streitet Krokat nicht ab. Die Guttempler, die in Bremen 600 und weltweit 4,5 Millionen Mitglieder haben, leiden an Überalterung. Und jungen Leuten helfen heißt da eben auch, junge Leute als potentielle Mitglieder werben zu können. Was sie geboten bekommen? „Bei uns steckt mehr dahinter, als Leute trockenzu legen“, sagt Krokat. Bis ins Privatleben hinein strecken sich die Alkoholverbotsregeln des Ordens. Und wer dennoch Alkohol trinkt oder ausschenkt, wird durch sozialen Druck und den Ausschluß aus der Gemeinschaft wieder auf den rechten Weg gezwungen. Rabiate Methoden, die aber Wirkung zeigen. Denn die Rückfallquote von Alkoholkranken ist bei den Guttemplern weitaus niedriger als im Rest der Bevölkerung. zott
Die TeamsprecherInnen in Bremen-Mitte erreicht man unter 56 59 430 (Sabine) u. 04 29 8/63 41 (Kerstin), jene in Bremen Nord unter 60 31 59 (Hannelore) u. 60 98 16 2 (Gabi). Die Termine der Treffen kann man dort erfragen.
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