Auch Polizisten sind süchtig

■ Fünf bis sieben Prozent aller Polizisten haben akute Alkoholprobleme / Spiel- und Medikamentensucht nimmt zu

Wenn der Polizist Peter Opatrzil früher zum Dienst erschien, hatte er häufig eine Alkohol-Fahne. Mitunter blieb Opatrzil einfach liegen, wenn der Wecker klingelte, um seinen Rausch auszuschlafen. „Mein Name war rot unterstrichen, weil ich sooft gefehlt habe“, gibt der Polizist unumwunden zu. Opatrzil ist dank des Polizeiarztes, der eines Tages vor seiner Wohnungstür stand, seit 25 Jahren trocken. Gemeinsam mit seinem Kollegen Horst Szameitat, ebenfalls ein trockener Alkoholiker, steht er inzwischen den rund 3.000 Bremer Polizisten als Suchthelfer zur Verfügung. Sie würden fast zweiten Tag von Betroffenen oder deren Kollegen angesprochen, erzählten die beiden Suchthelfer gestern auf einer Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft „Suchtprobleme in der Polizei“ in Bremen . Das sind etwa 150 Kontakte pro Jahr.

Das entspricht dem Anteil von Polizisten mit Alkoholproblemen, die die seit zehn Jahren bestehende Arbeitsgemeinschaft bundesweit ermittelt hat. Etwa fünf bis sieben Prozent der rund 22.000 Polizisten in Deutschland hätten akute Alkoholprobleme, so Jürgen Waschke vom Vorstand. Das entspreche dem Durchschnitt des Anteils von Alkoholkranken in der Bevölkerung. Darüber hinaus sei eine zunehmende Abhängigkeit von Medikamenten und Spielsucht zu beobachten.

Nach dem Motto: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“, sei das Suchtproblem bei der Polizei lange ein „Tabu-Thema“ gewesen, sagte Waschke. Daran hätte die Polizei aber kein Interesse, betonte Eckhard Mordhorst, stellvertretender Polizeichef Bremens. „Es geht da auch um unseren Ruf.“ Die Beamten seien deshalb gehalten, Kollegen auf ihre Alkoholprobleme anzusprechen und Vorgesetzte einzuschalten. „Das hat nichts mit Denunziantentum zu tun, sondern mit Verantwortung für einen Mitmenschen“, sagte Mordhorst. Im Idealfall soll der Betroffene durch Gespräche dazu gebracht werden, sich einer Therapie zu unterziehen.

Über den Umgang mit Suchtkranken und Suchtgefährdeten in Bremens Behörden gibt es seit 1989 eine Dienstvereinbarung. Neben dem absoluten Alkoholverbot während der Dienstzeit sind dort die einzelnen Schritte im Umgang mit alkoholgefährdeten Bediensteten geregelt – vom ersten Gespräch bis zur Versetzung in den Ruhestand. Die Vereinbarung verpflichtet die Dienststelle ausdrücklich dazu, den Betroffenen zu helfen. Bei der Polizei seien darüber hinaus Maßnahmen notwendig, um die Bürger zu schützen. Alkoholabhängigen Polizisten würden Dienstwaffe und Fahrerlaubnis entzogen, so Mordhorst.

Die disziplinarischen Maßnahmen, die alkoholabhängige Polizisten zu fürchten haben, könnten ein Grund für die hohe Dunkelziffer sein. Die Selbsthilfegruppe für Polizisten mit Alkoholproblemen schwankt, laut Opatrzil, zwischen zwölf und 20 Mitgliedern. Seit Erlaß der Dienstvereinbarung 1989, wurde ein alkoholabhängiger Polizist entlassen. Fünf wurden nach erfolgreicher Therapie allerdings auch wieder eingestellt. Vorstandsmitglied Waschke: „Man muß den Finger halt immer wieder in die Wunde legen.“ kes