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Danas Eurovisionssieg entzweit Israel

Während viele der säkular gesinnten Menschen in der transsexuellen Schlagersängerin ein Symbol der freien Gesinnung sehen, wollen die Orthodoxen keinen europäischen Gesangeswettbewerb im Lnad zulassen  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Der Ministerpräsident gratulierte artig zu Danas Erfolg bei der Eurovision, aber ob ihm ganz wohl war in seiner Haut, bleibt dahingestellt. Die israelische Öffentlichkeit bietet ein gespaltenes Bild zum neuerlichen israelischen Gewinn des europäischen Sängerwettstreits. Während die Lesben und Schwulen in Israel den Erfolg Danas mit großem Pomp feierten, brach zwischen Orthodoxen und Säkularen gleich der Streit darüber aus, ob die Eurovision nächstes Jahr in Jerusalem stattfinden solle oder nicht. Der stellvertretende Gesundheitsminister Shlomo Benizri von der Shas-Partei, der die Opposition gegen Dana anführt, sagte: „Ich habe kein Interesse an der Eurovision. Sie interessiert mich gerade so viel wie das Ausmaß des Schnees in der Antarktis.“

Jerusalems stellvertrender Bürgermeister Haim Miller, ein Ultraorthodoxer, war noch direkter: „Jerusalem ist unsere heilige Stadt, und wir werden nicht erlauben, daß nächstes Jahr die Eurovision hier stattfindet“, sagte er. „Wie wir den Auftritt der Batsheva-Tanzgruppe zum 50. Jubiläum Israels verhindert haben, werden wir auch den Auftritt von Dana verhindern“, verkündete er vollmundig.

Doch der Bürgermeister von der Likud-Partei, Ehud Olmert, ist anderer Ansicht: „Ich bin der Stadtvater, was ich entscheide, gilt. Für mich ist es eine Ehre, die Eurovision in Jerusalem abzuhalten.“ Doch längst machen Gerüchte die Runde, daß der Sängerwettstreit in Tel Aviv oder in Eilat stattfinden könne. Eine „Hauptstadt“ müsse es ja nicht unbedingt sein, wie die Auswahl von Birmingham zeige, so die israelischen Medien.

Obwohl Danas Anhänger in den Straßen tanzten, war die Freude über den Eurovionssieg nicht ungeteilt. „Dies ist ein schizophrenes Land“, sagt Dror Yehodaya, der ein Bekleidungsgeschäft in Jerusalem unterhält. „Auf der einen Seite können Tänzer nicht in Unterwäsche auftreten, während anderereits ein Transsexueller uns international repräsentiert. Dies zeigt halt, daß wir ein junges Land ohne lange Tradition sind, ein Land, das immer noch daran arbeitet, die Sachen auf die Reihe zu kriegen.“

Der Redakteur der monatlichen Schwulenzeitung Hazman Havarod sagte dagegen: „Es ist das beste, was uns in den letzten 50 Jahren passiert ist.“ Dana habe nicht gewonnen, weil sie transexuell sei, sondern trotzdem. Doch nicht jedermann ist dieser Meinung. Der 29jährige Uri Bank, ein Parteigänger der rechtsextremen Moledet- Partei, sagt ganz offen, daß er sich eigentlich darüber freue, wenn ein Israeli einen Preis gewinne. Aber diesmal kam der Gewinn seiner Ansicht nach nicht wegen des Lieds oder der Darbietung insgesamt zustande, sondern wegen der sexuellen Verwandlung. „Meiner Ansicht nach repräsentiert diese Sängerin nicht die israelische Kultur“, sagt Uri Bank. Und steht damit gewiß nicht allein.

Auch das religiöse Lager ist gespalten. Uri Bogayev, der vor neun Jahren aus Usbekistan eingewandert ist und die Kippa der Religiösen trägt, sagt, daß er nichts über die sexuelle Umwandlung von Dana gewußt habe. Erst seine Tochter habe ihm dies während des Sängerwettstreits erzählt. Der Schuhmacher meint ganz lakonisch, daß „eine Menge Leute glücklich sind über den Gewinn“. Und zumindest davon will er sich auch nicht ausnehmen. Er heiße die sexuelle Umwandlung allerdings nicht gut, aber, so sagt er, „wir müssen uns nicht darum sorgen, wie das im Ausland ankommt“.

Unterdessen hat der Bürgermeister von Haifa angeboten, den nächsten Sängerwettstreit in seiner Stadt abzuhalten. Zur Begründung erklärte er, daß die Beziehungen zwischen Religiösen und Säkularen als auch zwischen Israelis und Arabern in keiner anderen Stadt vergleichbar gut seien. Doch gibt es in Israel bekanntlich nichts, was nicht noch übertroffen werden könnte. Der Sprecher des israelischen Parlaments, Dan Tichon, ein Überlebender des Holocaust, schug vor, auf dem Gelände der Knesset ein großes Zelt aufzubauen und den Sängerwettstreit sozusagen unter parlamentarischen Fittichen abzuhalten.

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