: Die drei Fragezeichen in Jamaika
■ Angestrengt sucht das Disco-House-Trio Whirlpool Productions nach der alten Entspanntheit
Eine weiße Limousine fährt vor. Roter Teppich. Blitzlichtgewitter. Absperrungen. Alles drum und dran. Die Türen öffnen sich langsam, und heraus treten zwei spittelige Kerle mit blasser Haut und Brille. Umschwärmt von einigen spärlich bekleideten Moderatorinnen, schauen sie ebenso verlegen wie ungläubig auf ihre Schuhspitzen. So sähe es vermutlich aus, wenn unsereins tatsächlich Popstar wäre. So sieht es tatsächlich aus, wenn Hans Nieswandt und Justus Köhnke zu einer TV-Show in Italien vorfahren. Doch immerhin kommt noch Eric D. Clark ziemlich aufgedonnert um die Ecke und nimmt die Ovationen des juvenilen Publikums mit einigen passenden Posen entgegen. Superstars werden solche Auftritte bereitet. Und in Italien spielen Whirlpool Productions in der ersten Liga, hatten mit „From: Disco To: Disco“ und dem „Cold Song“ gleich zwei veritable Hits.
In Deutschland sieht das ein wenig anders aus. Mit dem Debut Brian de Palma hievte das Trio House auf Plattenformat, um es aus einem Clubumfeld zu lösen, mit dem viele nur wenig anfangen. Das machte Whirlpool Productions vor allem für jene Indiehörer attraktiv, die sich elektronischen Klängen und guter Laune nicht verschließen, ihr altes Hörumfeld aber dafür nicht aufgeben wollten. Format-House im Bandformat eben. Mit Dense Music dockten Whirlpool Productions dann an Pop an, ohne ihre Unschuld zu verlieren. Hierzulande aber auch ohne die italienische Hysteria. Zu unfertig, zu unperfekt klangen die Stimmen, zu niedlich wurde während der Songs gekichert. Doch was kommt jetzt?
Das scheinen sich Whirlpool Productions auf ??? auch zu fragen. Bei den drei Fragezeichen von Hitchcock hat sich irgendwann Justus hingesetzt, nachgedacht und den Fall gelöst. So weit sind die drei Fragezeichen aus Köln aber nicht gekommen. Produktive Unentschlossenheit kennzeichnet das in Jamaika aufgenommene Album. Um den potentiellen Hit „Crazy Music“ herum, „einer Meditation über 'Editions Of You' von Roxy Music“(Hans Nieswandt), reihen sich Electronicas, ein wenig Schifferklavier, ein paar Urwaldgeräusche, AR Kane, Sly Stone und vieles andere. Zu kichern gibt es allerdings nicht mehr viel.
Vielleicht liegt es daran, daß sich die drei, wie man aus dem Umfeld hört, persönlich nicht besonders gut verstehen? Vielleicht aber auch daran, daß Whirlpool Productions bei ??? erstmals mit Hard-Disk-Recording arbeiteten, also jederzeit die Möglichkeit hatten die Soundpartikel für die Aufnahme zu verändern? Sie sind zwar nach Jamaika gefahren, um alles ganz entspannt anzugehen, prokelten dann aber im Can-Studio in Weilerwist noch Mal herum. Wenn man partout entspannt sein will, gelingt das ja meistens nicht gerade besonders überzeugend. Volker Marquardt Mi, 20. Mai, 21 Uhr, Schauspielhauskantine
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