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Atmosphäre der Offenheit

■ SHMF: 30 Schlaginstrumente machten Krach in Reinbek

Sie heißen Tomtom, Tamtam, Hihat und Templeblock und machen Krach. Fast wie bei einer Einrichtung von Peter und der Wolf für Schlaginstrumente nahm sich Babette Haags anschauliche Präsentation von Helmut Lachenmanns Intérieur I für ein Set up, eine 30teilige Percussionbatterie, am Samstag im Reinbeker Schloß aus. Die immer neuen Klangverbindungen, die die rotmähnige Schlagzeugerin aus ihren Klangerzeugungsgeräten holte, ließen auch das eher an sommerliche Serenadenkost gewöhnte Festivalpublikum verstummen.

Zum Teil mag es auch an Haags unverkrampfen Einführungen gelegen haben, daß eine Atmosphäre der Offenheit gegenüber zeitgenössischer Musik herrschte, von der ein normales Abonnementskonzert nur träumen kann. Die dauertremolierenden Klangteppiche des Japaners Toshimitsu Tanaka wurden ebenso vorbehaltlos akzeptiert wie Yannis Xenakis' rhythmische Krachorgie Psappha, deren fast schmerzhafter physischer Schallwellenkraft sich in der Enge des kleinen Renaissancesaales niemand entziehen konnte.

Die Vielfalt dieser Instrumentenfamilie und ihre souveräne simultane Beherrschung durch die Schlagzeugerin bildeten jedoch nur die eine Seite des Abends. In Bachs C-Dur Cellosuite, von Haag selber für Marimbaphon bearbeitet, zeigte sie mit großem Reichtum an dynamischen Abstufungen und verblüffend freier Agogik, wie selbst einem so kurztönigen Instrument mit relativ homogenem Klang ein weiter interpretatorischer Spielraum abzugewinnen ist.

Rhythmische Klarheit ohne Verzicht auf kantable Melodienführung prägten auch die restlichen Kleinigkeiten und Zugaben, mit denen Haag ihr klug aufgebautes Programm abrundete, vom Blues bis hin zu karibisch-mexikanischen Tanzstücken. Auch die anwesenden kulturbeflissenen Ehepaare zeigten sich erfreut und werden zweifellos von jetzt an dem Lärm ihrer eigenen musikliebenden Kiddies gegenüber nachsichtiger sein.

Jörg Königsdorf

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